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POLITiS Studienkreis

Demokratie und Bürgerbeteiligung

Erfolg für M5S

Briefwahl: Start für ein Pilotprojekt im Trentino

In der Schweiz wählen über 80% der Stimmberechtigten per Brief, in Südtirol sind es magere 3,7% der insgesamt Abstimmenden, die diese Möglichkeit nutzen können und wollen. Bei den Landtagswahlen 2018 haben von 35.000 Briefwahlberechtigten nur 10.442 (29,8%) diese Chance genutzt. Für dieses Recht muss man immer noch im Ausland ansässig sein oder einen Daueraufenthalt haben.
Im Trentino beteiligten sich gar nur 2,22% der im Ausland ansässigen und zur Briefwahl berechtigten Wählerinnen an den Landtagswahlen, auch weil die Briefwahl schlecht geregelt ist. Nun hat die Corona-Pandemie dieser Frage neue Aktualität verschafft. Wählen per Brief wäre nämlich nicht nur kostengünstiger und einfacher, sondern könnte bei einer Epidemie problemlos abgewickelt werden, ohne Wahlen oder Volksabstimmungen verschieben zu müssen.
Genau dieser Fall ist nämlich im Trentino eingetreten, denn zwischen dem 1.2.2021 und dem 31.5.2021 wären die Trentiner zu den Urnen gerufen worden, um in einer Landesvolksabstimmung über die Einführung einer „Bioregion Trentino“ abzustimmen. Aufgrund der Pandemie und ohne die Entwicklung überhaupt genauer abschätzen zu können, ist dieses Referendum verschoben worden. Bei einem Recht auf Briefwahl für alle wäre das nicht nötig gewesen. Der M5S des Trentino hat diese Notwendigkeit erkannt und einen Beschlussantrag im Trentiner Landtag durchgebracht. Damit wird die Trentiner Landesregierung verpflichtet, ein Pilotprojekt für die Anwendung des Briefwahlrechts für alle zu starten.
L.Abg. Alex Marini, der Einbringer des Vorschlags, verweist auf die erfolgreiche Anwendung der Briefwahl in vielen Ländern, etwa in Bayern, Australien, Neuseeland, der Schweiz und in vielen US-Bundesstaaten. In Oregon wird ausschließlich per Brief gewählt und abgestimmt. Diese Form der Wahl ist als einzig zulässige mit einer Volksabstimmung 1998 eingeführt worden und hat sich seitdem bei allen Wahlgängen bewährt. Es handelt sich auch um eine fälschungssichere Art der Stimmabgabe, wie aus den vielen abgewiesenen Klagen von D. Trump gegen die Briefwahl hervorgeht.
Alex Marini hat eine Arbeitsgruppe vorgeschlagen, besetzt mit Vertretern des Trentino, Südtirols und des Innenministeriums, um alle Möglichkeiten der Anwendung der Briefwahl auszuloten und ein einheitliches Verfahren für alle Wahlgänge von den Gemeindewahlen bis zu den staatsweiten Referenden zu entwickeln. Eine soeben von der International Foundation Electoral Systems veröffentlichte Studie belegt, dass eine gut organisierte Briefwahl wirksam und effizient ist und mehr Bürger zur Beteiligung an den Wahlen motiviert. Diese Vorschläge haben auch die Trentiner Landesregierung überzeugt. Nicht nur bei der biologischen Landwirtschaft, auch bei der Briefwahl werden uns die Trentiner eine Nasenlänge voraus sein.
SALTO, 29.11.2020


Bürgerbeteiligung

Die SVP rudert bei direkter Demokratie zurück

Die einen wollen mehr, die anderen weniger Mitsprache der Bürger in der Politik. Jetzt gibt es einen neue Variante des Tauziehens zwischen Mehrheitspartei und Direkte-Demokratie-Bewegung.
Anfang November sollte die Unterschriftensammlung der Initiative für mehr Demokratie für zwei neue Volksinitiativen starten, doch der November-Lockdown hat das Vorhaben blockiert. Die Initiative wollte damit zum einen den Modus für die Unterschriftensammlung erleichtern, zum anderen den ausgelosten „Landes-Bürgerrat“ einführen. Mit der Initiativvorlage zum Bürgerrat sollte gleich auch ein „Großer Landes-Bürgerrat“ zum Klimawandel einberufen werden. Doppeltes Pech für die Initiative: die für die Zulässigkeit von Volksabstimmungen eingesetzte Richterkommission lehnte beide Anträge als unzulässig ab. Warum?
Das Autonomiestatut weist die Kompetenz für die Regelung der sog. Regierungsform (Wahlrecht, direkte Demokratie, Politikergehälter usw.) ausschließlich dem Landtag zu, denn im Art. 47, Abs.4 wird der Bürgerschaft kein Initiativrecht zu dieser Materie zuerkannt. Gegen eine schlechte Regelung von Wahlrecht und direkter Demokratie können sich die Bürger nur mit einer Sonderform des bestätigenden Referendums. Das ist auch bereits einmal geschehen, als das Volk im Februar 2014 ein von der SVP durchgesetztes Gesetz zur direkten Demokratie kippte. Im Unterschied zur Schweiz und anderen Ländern gilt bei uns also: die Regeln der Demokratie schreiben sich die Politiker immer noch selber, wir Bürger können uns allenfalls mit einem Referendum dagegen wehren. Der von der Initiative angekündigte Rekurs dagegen wird wenig bringen, denn die angepeilte Erleichterung der Unterschriftensammlung – etwa über online-Modus – und etwas seriösere Bürgerräte gehören zum Bereich der „Regierungsform“ und bleiben somit dem Landtag vorbehalten, wenn man es eng sieht.
Die SVP-Mehrheit im Landtag, traditionell skeptisch gegenüber wirksamer Bürgerbeteiligung in der Politik, zieht derweil in die genaue Gegenrichtung. Erworbene Volksabstimmungsrechte sollen kurzerhand wieder abgeschafft, die Beteiligung wieder erschwert werden. Zu diesem Zweck hat der L.Abg. Noggler am 12.11.2020 einen Gesetzentwurf eingebracht. Er will im geltenden Direkte-Demokratie-Gesetz das bestätigende Referendum – die „Notbremse“ der Bürger bei nicht akzeptablen Landesgesetzen – wieder streichen. Ein Bürgerrat – dieses Recht gibt es schon - soll nur mehr vom Landtagspräsidium eingesetzt werden können, nicht mehr von den Bürgern. Auch die speziellen Vorkehrungen bei Volksabstimmungen zu „ethnisch sensiblen“ Fragen sollen entfallen, und das Büro für politische Bildung“ soll vom Landtag ausgelagert werden. Dafür werden diesem Büro sogar Rechte bei der Formulierung von Fragestellungen bei Volksabstimmungen zuerkannt.
Dabei überrascht nicht so sehr, dass die SVP bei der direkten Demokratie zurückrudert, denn Bürgerbeteiligung war dieser Partei noch nie ein Herzensanliegen. Überraschen kann zum einen, dass die SVP ein Gesetz stark abändert, das derselbe Noggler 2017-18 mitgeschrieben hat; weiters überrascht, dass Bürgerrechte zurückgenommen werden, die noch gar nicht ausgeübt worden sind. In den zwei Jahren der bisherigen Geltung dieser Regelung hat noch kein Komitee weder einen Bürgerrat nicht ein bestätigendes Referendum verlangt. Woher also diese Angst der SVP, die Bürger könnten ihr bei der Machtausübung dreinreden?
Überhaupt wirft dieser Gesetzentwurf ein schräges Licht auf Bürgerräte, die in anderen Ländern gerade einen Aufschwung erleben. Ein kleines Forum ausgeloster Bürgerinnen darf eine spezielle Frage der Landespolitik mithilfe von Experten beraten und unverbindliche Lösungsvorschläge aussprechen. Mit dem Landesgesetz Nr.22/2018 ist nicht nur eine schwache Form des Bürgerrats eingeführt worden, sondern grundsätzlich verpflichten diese Vorschläge niemanden zu nichts. Die SVP hätte gar keinen Anlass, ihn weiter zu schwächen. Eher werden sich die ausgelosten Bürger fragen müssen, ob sie nicht Zeit und Energie in einer Mitmachfalle verschwenden. Wie Bürgerräte etwas verbindlicher gestaltet werden können, wird hier erörtert. Wieviel die SVP von weit robusteren Beteiligungsverfahren hält, hat sie beim Autonomiekonvent bewiesen. Die Ergebnisse dieses aufwändigen Verfahrens verstauben seit dreieinhalb Jahren im Landtagsarchiv.
Leider scheint auch die Initiative für mehr Demokratie beim Bürgerrat Illusionen aufzusitzen: mit Gesetz wollte sie einen Großen Landesbürgerrat zum Klimaschutz einführen. Laut Art.8 (1) dieser Gesetzesvorlage müssen Landtag und Landesregierung die Ergebnisse dieses Rats binnen 60 Tagen „behandeln“, nichts mehr. Die Landesregierung tut sich heute schon schwer, die von hochkarätigen Wissenschaftlern ausgearbeiteten, selbst in Auftrag gegebenen Klimaschutzstrategien ernst zu nehmen. Dass die SVP-Mehrheit einer ausgelosten Gruppe von einfachen Bürgern und Bürgerinnen zum Klimaschutz mehr Gehör schenkt, würde schon eher einem Wunder gleichkommen.
SALTO, 25.12.2020


Digitale Bürgerbeteiligung

Mit CONSUL zur digitalen Demokratie

„Consul ist das vollständigste Bürgerbeteiligungsinstrument für eine offene, transparente und demokratische Regierungsführung“, heißt es zur Begrüßung. Was kann diese Plattform?
In Zeiten der Pandemie sind notgedrungen nicht nur Grund- und Bürgerrechte, sondern auch demokratische Grundrechte (Versammlungsfreiheit, Mitsprache der Parlamente usw.) eingeschränkt und Wahlen verschoben worden. Während die Mitbestimmung leidet, hat sich der soziale Kontakt und politische Austausch in den digitalen Raum verlagert. Online-Beteiligung gab es schon vorher, sie hat durch die Quarantäne-Erfahrung aber einen neuen Schub erfahren.
Das beste Beispiel wie nicht nur Kommunikation, sondern auch Demokratie digital laufen und die entsprechenden Tools breitenwirksam eingesetzt werden können, ist die Demokratie-Software CONSUL: die umfassendste Open-Source-Bürgerbeteiligungsplattform weltweit ist heute in 35 Ländern etabliert. 135 Institutionen und rund 90 Millionen Menschen können CONSUL im Alltag nutzen. Entstanden ist CONSUL aus der Protestbewegung gegen die Finanzkrise 2011/12 in Spanien. Protest-Nerds arbeiteten die Software aus und die in die Kommunalverwaltungen gewählten Podemos-Vertreter führten sie in den Gemeinden ein, wie z.B. in Madrid und Barcelona. Von dort hat sich CONSUL über Spanien nach Lateinamerika, nach Paris und New York ausgebreitet. In Italien ist bisher nur die Gemeinde Turin dabei, In Deutschland läuft das „Leuchtturmprojekt“ München.
Dementsprechend wächst die Zahl der Nutzer. Neben der kostenlosen Verfügbarkeit und der großen Nutzerzahl liegt dies hauptsächlich an der Anpassungsfähigkeit der Plattform, die wie ein Baukasten aufgebaut ist. Sie ermöglicht Debatten, Bürgervorschläge, Debatten. Die Module können mit wenigen Klicks je nach Bedarf aktiviert werden. Madrid z.B. nutzt alle verfügbaren Instrumente inklusive Abstimmungen (online und offline).
Was bietet CONSUL? In der heutigen Version stehen fünf wesentliche Anwendungen der digitalen Bürgerbeteiligung zur Verfügung:
1. Ein Debattenforum für Diskussion und Austausch zwischen den Bürgerinnen, zwischen Bürgern und Politikern.
2. Ein Bereich zum Einbringen von Vorschlägen und Petitionen, die wiederum diskutiert, bewertet und mitgetragen werden können (einen Variante von E-Petitionen, die in Südtirol weder Gemeinden noch der Landtag eingerichtet haben).
3. Abstimmungen: das funktioniert technisch einwandfrei, wie vor kurzem beim digitalen Parteitag der CSU vorgeführt. Es stellt sich aber die Frage der rechtlichen Verbindlichkeit. Bei ausreichender Beteiligung kann eine Abstimmung politisch akzeptiert werden, ansonsten müssen digitale und analoge Abstimmungen kombiniert werden wie derzeit in Madrid.
4. Gesetzgebungsverfahren: Kommunen haben je nach Land verschiedene Zuständigkeiten. Wichtig wäre in dieser Hinsicht die digitale Abwicklung des Vernehmlassungsverfahrens wie in der Schweiz, nämlich die Stellungnahmen der interessierten Verbände, NROs und Bürger.
5. Bürgerhaushalte: über 300 Kommunen in Europa praktizieren einen BHH, aber die meisten nutzen online-Tools nur zur Unterstützung.
Auch Expertenhearings und Umfragen sind möglich. Beteiligungswillige Kommunen müssen nicht alle 5 Bereiche nutzen, sondern können nach Belieben wählen. Um CONSUL mit Erfolg einzusetzen, müssen drei Faktoren passen: zuerst muss die Politik verbindlich zusichern, die Ergebnisse des Verfahrens aufzunehmen. Gäbe es keine solche Reaktion der Politik, würden zu wenig Bürger auf die Plattform kommen. Dann muss CONSUL von den Bürgern genutzt werden und dafür muss es aktiv beworben werden. Die Politik selbst hat schließlich einen Vorteil, denn eine derartige Plattform wirkt wie ein Seismograph der Gesellschaft. Die Chance, mit einem kostenlosen Open-Source-Tool die Demokratie vor der eigenen Haustür zu stärken, sollte man sich auch in Südtirol nicht entgehen lassen. Eine Chance weit über die Corona-Krise hinaus.
SALTO, 28.11.2020




Liechtenstein als Vorbild?

Wenn ein Monarch die direkte Demokratie lobt

Ein Dank dem Erwin für diesen interessanten Bericht. Wenn ein Monarch seine Vorstellungen zum „Staat des Dritten Jahrtausends“ ausbreitet, lässt das schon aufhorchen. Dass der Chef einer Steueroase, der sich bis zur Thronfolge primär mit dem Vermögensmanagement auf Schloss Vaduz befasst hat, sehr neoliberal denkt, mag dabei gar nicht mehr verwundern. Gilt er doch inoffiziell als der reichste Adlige Europas.
Doch in Liechtenstein ist die Kombination von Monarchie, repräsentativer und direkter Demokratie schon kurios. Tatsächlich haben die Liechtensteiner gut ausgebildete Volksrechte und nutzen sie auch (1984-2009 gab es 33 landesweite Volksabstimmungen, jährlich werden rund 100 vom Parlament beschlossene Gesetze zum Referendum ausgeschrieben: das stelle man sich einmal für Südtirol vor).
Aber Monarchie bleibt eben Monarchie und die paternalistischen Züge sind deutlich, schreibt Erwin Demichiel: der Fürst hat ein letztendliches Vetorecht, das er „mit äußerster Zurückhaltung“ ausübt, denn das Volk kann laut Verfassung gegen den Fürsten sogar ein Misstrauensverfahren starten oder die Monarchie komplett abschaffen, wie Demichiel ausführt. Dagegen könnte der Fürst kein Veto einlegen, aber seine Kompetenzen und Vetorechte im demokratischen Normalbetrieb sind herausragend:
• er kann die Regierung jederzeit entlassen
• bei maßgeblichen Gründen kann er das Parlament auflösen
• es hat ein Notverordnungs- und Niederschlagungsrecht
• er muss seine Zustimmung geben, damit die Beschlüsse des Landtags in Kraft treten können. Dieses Vetorecht betrifft Gesetzesbeschlüsse ebenso wie Finanzbeschlüsse und Staatsverträge.
Auch wenn ihre Durchlaucht diese Rechte nicht oft ausübt, hat er also die Macht, das Volk zu überstimmen, d.h. er kann auch Volksabstimmungsergebnisse hinterher mit seinem Vetorecht nicht in Kraft setzen. Das Volk kann abstimmen, der Monarch kann sein Volk blockieren. So stelle ich mir nicht die „Demokratie des 21. Jahrhunderts“ vor. „Die Monarchie wird auch im 21. Jahrhundert für dieses Land ein großer Vorteil sein, sowohl innen- als auch außenpolitisch“, sagte Hans-Adam II anlässlich seines 25. Thronfolge-Jubiläums. Für den Monarchen ist es das allemal.

SALTO, 17.9.2015


Appell für eine neue EU

Ein Verfassungskonvent für eine demokratischere EU

Das BREXIT-Votum der Briten hat viele Nachbeben auf verschiedenen Ebenen ausgelöst. Druck auf die Politik für mehr Demokratie in der EU kommt auch von unten.
Das britische BREXIT-Votum vor einem Monat hat Brüssel aufgerüttelt. 27 Staatschefs werden am 16. September in Bratislava Europas Zukunft nach dem Ausscheiden der Briten diskutieren. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat schon vorgeschlagen, den Europäischen Rat in eine zweite Kammer umzubauen, die Kommission vom EU-Parlament wählen zu lassen und die Rechte des Parlaments auszubauen.
Das geht in die richtige Richtung, meint der Dachverband der Organisationen für mehr Demokratie in Europa Democracy International, reiche aber nicht. Es müsse zunächst der Rahmen für ein neues Grundgesetz der EU geschaffen werden, und das können nur ein Verfassungskonvent (EU Convention) sein. Dieses vom Art. 48 des Vertrags von Lissabon (EUV) vorgesehene Forum wäre die einzige demokratisch angemessene Form, tiefergreifende Reformen der institutionellen Architektur der EU auf den Weg zu bringen.
Nur ein neuer Verfassungskonvent mit direkt gewählten Vertretern der europäischen Zivilgesellschaft sowie Vertretern der EU-Institutionen habe die erforderliche demokratische Legitimation, um die nötigen weitreichenden Reformen zu beschließen. Im Rahmen eines solchen Konvents muss ausreichend Bürgerbeteiligung ermöglicht sein mit transparenten Verfahren und öffentlicher Diskussion. Am Ende des verfassunggebenden Prozesses gemäß Art. 48 EUV müsse eine EU-weite Volksabstimmung über das neue Grundgesetz stehen, also ein bestätigendes Referendum, wie wir es in Italien im kommenden Herbst erleben. Demokratische Reformen der EU müssen lauf democracy international mindestens Folgendes umfassen:
 Das EU-Parlament muss zum echten Parlament mit umfassendem Gesetzesinitiativrecht werden.
 Der EU-Rat soll zu einer zweiten Kammer (Staatenkammer) mit begrenzten Rechten werden.
 Die EU-Kommission muss vom EU-Parlament gewählt und mit konstruktivem Misstrauen abgewählt werden können.
 Die EU-Bürger müssen ein echtes Recht auf Volksinitiative erhalten (kein bloßes Volksbegehren die die derzeitige EBI).
 Es muss ein EU-Referendum für Verfassungsänderungen wie für die Annahme der neuen EU-Verfassung geben.
 Überlappende Zuständigkeiten zwischen EU und Mitgliedstaaten sollen abgebaut werden.
 Entscheidungen sollen so bürgernah wie möglich getroffen werden, also Stärkung des Subsidiaritätsprinzips.
In diesem Sinn hat democracy international einen Appell an den Europäischen Rat verfasst, den schon fast 47.000 Menschen unterzeichnet haben. In meiner Publikation „Più democrazia per l’Europa“ gehe ich einen Schritt weiter: als dritte Kammer soll eine Regionenkammer in Vertretung der gut 278 Regionen mit klaren Initiativ- und Vetorechten geschaffen werden, also echte Kontrolle und Anregung auch durch die Regionen. Diese Kammer würde den heutigen zahnlosen EU-Ausschuss der Regionen ersetzen und die regionale Ebene insgesamt stärken.
Doch ist nicht der letzte EU-Verfassungskonvent von 2002-2003 gerade am Volk gescheitert, in diesem Fall an der französischen, irischen und holländischen Wählerschaft? Nun war jener Konvent weder ausreichend demokratisch legitimiert, noch konnte sich die Zivilgesellschaft maßgeblich einbringen. Das mächtige Konventspräsidium unter Giscard d’Estaing traf die wichtigsten Entscheidungen selbst. Das Ergebnis, ein EU-Verfassungsentwurf von 400 Seiten Länge, wurde nicht ausreichend kommuniziert.
Ein echter Konvent braucht mehr Transparenz, Bürgerbeteiligung und demokratische Legitimation, muss also zumindest zum Teil direkt gewählt werden. Die Konventsmitglieder müssen am Ende über die Verfassungsvorlage selbst entscheiden können und sie der gesamten EU-Wählerschaft zur Abstimmung vorlegen. Erst über ein solches Verfahren lässt sich eine breite Debatte in der ganzen EU über die zukünftige Grundlage und Arbeitsweise der Union auslösen. Und damit tut sich ein Weg aus dem verbreiteten Frust mit der „bürgerfernen EU“ bis hin zur EU-Ablehnung auf. „Ein pan-europäisches Referendum könnte zur Geburtsstunde einer echten europäischen Demokratie werden“, schreibt democracy international im Appell, den man hier unterzeichnen kann.
SALTO, 27.7.2016


Il primo bilancio partecipativo in Sudtirolo

Malles di nuovo all’avanguardia

Con la serata di presentazione e votazione dei progetti presentati dai cittadini a Malles si è (quasi) concluso il primo processo di partecipazione diretta dei cittadini alle finanze comunali.

Partecipare come cittadini semplici alla programmazione delle finanze del proprio Comune? Il Comune di Malles si è convinto di questa possibilità e quest’anno si è messo a svolgere il suo primo bilancio partecipativo, una specie di progetto pilota democratico per la prima volta applicato in provincia di Bolzano. Venerdì, 21 ottobre, un’assemblea civica ha segnato il momento cruciale di questo processo, in cui i cittadini hanno presentato e poi votato le loro proposte di spesa. Niente di meno di 47 proposte erano state avanzate dalla popolazione di cui – dopo un scrematura basata su criteri di fattibilità tecnica e giuridica – 33 vennero ammessi alla votazione finale.
Il sindaco Uli Veith, noto per il suo spirito riformatore della democrazia diretta, si è mostrato molto contento dell’interesse: “La partecipazione così viva dimostra che la popolazione si sente partecipe e responsabile anche nella materia piuttosto ostica del bilancio di previsione e delle spese comunali.” Un bilancio partecipativo non solo offre l’occasione di proporre progetti di investimento per il prossimo esercizio finanziario, ma anche di discutere queste proposte assieme agli altri per poi portarle a votazione. Il risultato sarà una graduatoria delle proposte secondo le priorità definite dagli stessi cittadini.
Un’altra novità a Malles: dal 24 al 28 ottobre tutti i cittadini a partire dal 16° anno di età possono consegnare la loro scheda di votazione su queste proposte direttamente nel municipio. Dopo lo scrutinio il risultato sarà pubblicato sul sito comunale e i cinque progetti più votati saranno ufficialmente comunicati al Consiglio comunale. Questo, così l’accordo preliminare, si assumerà l’impegno politico di inserire tali proposte nel bilancio di previsione del 2017. Il sindaco Veith nell’assemblea di apertura del 1-9-2016 aveva annunciato che il Comune avrebbe stanziato almeno 200.000 Euro per la realizzazione delle proposte più votate dai cittadini.
Interessante anche il carattere dei progetti proposti dai cittadini, quasi sempre fortemente tesi a migliorare spazi pubblici, a completare l’infrastruttura, rivalutare bene ambientali e culturali, ampliare servizi sociali per lungodegenti, anziani, famiglie, giovani. Si tratta in maggior parte di progetti con costi stimati piuttosto modesti, che partono da 3000 Euro con una media di 20-30.000 Euro e arrivano fino a qualche idea anche più costosa come la modernizzazione della piscina coperta e studi di fattibilità per una nuova seggiovia da Malles fino al Watles. Non sono mancate proposte per far risparmiare il Comune in termini sia energetici sia di spese correnti. Tutto sommato una sperimentazione riuscita di come stimolare la fantasia e il senso civico fra la popolazione e di come avvicinare i cittadini, anche non abituati ad un impegno nei partiti o nei gruppi di interesse, alle questioni di interesse comune e della gestione finanziaria del proprio Comune. Lo svolgimento del processo partecipativo è ben illustrato anche nell’opuscolo recapitato all’inizio del processo partecipativo ad ogni famiglia di Malles.
SALTO, 23.10.2016


Direkte Demokratie

Brixen braucht neue Regeln für die Bürgerbeteiligung

Die Volksabstimmung vom 21. September hat eine Reihe von Schwachpunkten in Brixens Regeln zur Bürgerbeteiligung erkennen lassen. Die Entscheidung selbst hat das von der Mehrheit favorisierte Projekt gekippt, aber der konkrete, mehrheitsfähige Gegenvorschlag ist nicht zum Ausdruck gekommen. Jetzt schimpfen manche auf die direkte Demokratie oder wollen sie gar einschränken (vgl. die SWZ), wirklich gefragt sind allerdings zweckgerechte Verfahren und bessere Regeln.

Bei strittigen Fragen der Stadtentwicklung und Infrastrukturprojekten werden immer mehr deliberative Verfahren eingesetzt, also Verfahren, die zu keiner Entscheidung führen, sondern die Bürger systematisch in die Entscheidungsvorbereitung einbeziehen. Dies beginnt mit öffentlichen Anhörungen (istruttoria pubblica, in Bozens Satzung vorhanden), über die öffentliche Debatte bis hin zu repräsentativen Bürgerbefragungen und dem sog. Bürgergutachten. Bei diesem in Deutschland gut 30 Mal bei kommunalen Planungsvorhaben erfolgreich eingesetzten Verfahren werden 25 Bürger nach Zufallsverfahren ausgewählt, für eine Woche freigestellt, um mit Unterstützung von Fachleuten Lösungsvorschläge zu erarbeiten (Näheres dazu in einer neuen POLITiS-Publikation).

In der Regel werden solche Projekte vom Gemeindeausschuss erstellt und vom Gemeinderat diskutiert. Will die Bürgerschaft selbst über Derartiges entscheiden, braucht sie beide zentralen Instrumente direkter Demokratie: das Vetorecht (Referendum) und das Vorschlagsrecht (Initiative). In beiden Fällen kann über Gegenvorschläge gleichzeitig abgestimmt werden. Beim bestätigenden Referendum können die Promotoren einen „Gegenvorschlag der Bürger“ einbringen (vgl. das Statut der Stadt Zürich). Bei der Volksinitiative kann der Gemeinderat mehrheitlich einen Gegenvorschlag einbringen. In der Regel sollte die Initiative den Bürgern vorbehalten sein, denn der Gemeinderat hat andere Mittel. Die Gemeinde Mals hat beide Instrumente in ihrem Statut verankert (Art.40, Abs.5).

In Brixen war die Situation unklar. Die Gemeinderatsmehrheit stellte ihr Projekt (Überspannseilbahn) zur Abstimmung, brachte selbst den Alternativvorschlag (Ausbau der Busverbindung) ein, um die Überspann-Gegner auseinanderzudividieren. Das ist keine faire Regel, zumal vorher eine echte Volksinitiative wegen terminologischer Probleme vereitelt worden war. Eine Initiative des Gemeinderats sollte die absolute Ausnahme sein, jene der Bürgerinnen hingegen erleichtert werden. Die Bürger brauchen das bestätigende Referendum, um Projekte verhindern zu können, gekoppelt mit einem Gegenvorschlag der Bürger. Wenn die Volksrechte bürgerfreundlich geregelt sind, kann die Mehrheit ihr Projekt im Rat verabschieden, wissend, dass die Gegner das Referendum ergreifen können.

Diese Verfahren gehören in einer modernen kommunalen Demokratie besser geregelt als in Brixen heute. Ein Zustimmungsquorum ist ein verdecktes Beteiligungsquorum: unnötig, denn entscheiden soll können, wer hingeht, wem die Sache am Herzen liegt. 11 Südtiroler Gemeinden haben das Quorum bereits ganz abgeschafft. Auch die Briefwahl und die Unterschriftensammlung ohne Beglaubigung durch Amtspersonen – diese ist kein Muss -erleichtern die Handhabung der Volksrechte. 9% Unterschriftenhürde ist zu hoch. Ganz wichtig die korrekte Information, die in Brixen nicht gegeben war. Korrekteres Verhalten privater Medien kann zwar nicht vorgeschrieben werden, aber die Gemeinde kann mit einem Info-Heft allen Wählern eine neutrale Grundinformation als Gegengewicht zu interessengesteuerter Beeinflussung durch mächtige Medien setzen. Die Bürgerbeteiligung ist somit in der Brixner Satzung und der diesbezüglichen Verordnung verbesserungsbedürftig. Ein mutiger, aber gut durchdachter Ausbau tut not.
SALTO, 21.10.2014


Bürgerbeteiligung

Partizipation ginge auch seriöser

Das Volk wird in diesem Frühjahr gleich mehrmals befragt. Das belebt die Demokratie und gibt dem Souverän ein Stück weit mehr Einfluss auf wichtige Sachentscheidungen. Das WIE dieser Partizipation ist alles andere als ausgereift, wie einige Beispiele zeigen.

Beispiel Volksbefragung zur Flughafenerweiterung am 12. Juni: der Flughafenbetreiber ABD bietet landauf landab „Informationsveranstaltungen“, die auch auf RAI Südtirol so bezeichnet werden. Doch ist der ABD pars in causa, hochsubventioniert, und bringt diese Abende als Teil seines Abstimmungskampfes. Seriöser wäre ein überparteilich redigiertes amtliches Informationsheft, das – wie in der Schweiz – allen Haushalten zugestellt wird. In Südtirol noch nicht vorgesehen, genauso wenig eine Deckelung der Ausgaben der jeweiligen Kontrahenten einer Volksabstimmung. So wird die finanzielle Übermacht der Flughafenbefürworter, subventioniert vom Land, ausgespielt.
Beispiel Befragung zum Benko-Kaufhaus Ende März: Kommissar Penta meinte, eine Art Plebiszit zu diesem Großprojekt übers Knie brechen zu müssen, statt die gesamte Frage dem nächsten demokratisch legitimierten Gemeinderat zu überlassen. So wird eine Bürgerbefragung abgehalten, die demokratisch nicht korrekt läuft. So hält die Gemeinde „Informationsveranstaltungen“ ab, bei der nur Befürworter-Technokraten auftreten. Man will das Ergebnis dieser reinen Befragung als bindend betrachten, sofern eine Mehrheit JA zum Projekt sagt. Penta lässt alle Pendler mitstimmen, die im Unterschied zur Bozner Bevölkerung nicht Hauptleidtragende des Projekts sind. Obendrein kann sich jeder für die Abstimmung registrieren lassen, ohne Nachweis, dass er wirklich Pendler ist. So kann Benko mit seinem Werbeetat Fans aus allen Landesteilen mobilisieren.
Beispiel italienweite Volksabstimmung vom 17. April 2016 zu neuen Ölbohrungen in der Adria, ein außerordentlich wichtiges Thema des Umweltschutzes. Wieder wird vorgeführt, wie rückständig direkte Demokratie in Italien geregelt ist. Die öffentliche Hand sieht nicht den geringsten Anlass, die Wahlberechtigen über diese Sachfrage zu informieren. Vergeblich sucht man in den Regierungswebseiten nach irgendeiner Aufklärung. Die Referendumsfrage selbst – ein halber Satz eines Gesetzes soll abgeschafft werden – ist wie üblich ein Rätsel. Auf vorsintflutlichen Anschlagtafeln wird dieser Wortlaut dann einige Wochen vor der Abstimmung plakatiert. Unerbittlich fällt dann aber am 17.4. das Fallbeil des Quorums von 50%, das auch diese Regierung noch nicht angetastet hat. Gerade wegen der fehlenden Information fällt die Beteiligung schwächer aus, zumal die Frage nicht die ganze Bevölkerung gleichermaßen betrifft. Typischer Fall, wie man von Staats wegen direkte Demokratie aushebeln kann. Die Zusammenlegung dieses Referendums mit dem auch schon anberaumten Verfassungsreferendum im Herbst hätte zu dem einen doppelten Vorteil gehabt: mehr Beteiligung und halbe Kosten für den Staat.
Beispiel neues Landesgesetz zur direkten Demokratie, das gerade im Landtag ausgebrütet wird. Eine sehr löbliche Möglichkeit der Partizipation ermöglicht es, interessierten Vereinen dort mitzuwirken. Neben neuen Regeln für die Volksabstimmungen auf Landesebene soll in diesem Gesetz auch der Einstieg in die Regelung deliberativer Verfahren der Partizipation erfolgen. Vorgesehen ist allerdings bis jetzt nur der sog. Bürgerrat, eine der schwächsten Formen von Bürgerbeteiligung, der vor allem auf kommunaler Ebene Sinn macht. Es gäbe eine Reihe anspruchsvoller Verfahren, die in ein solches Gesetz gehören.
„Schalt dich ein!“: so bewirbt derzeit der Autonomiekonvent die Partizipation an der Reform des Statuts. Auch die Regierungsparteien könnten sich etwas mehr einschalten, zur besseren Regelung der Beteiligungsverfahren beispielsweise.
SALTO, 2.3.2016


Neues Mitwirkungsverfahren

Auftakt für den ersten Bürgerhaushalt

In Sachen Bürgerbeteiligung ist die Gemeinde Mals bekannt für ihre Innovationsfreudigkeit. Nun können die Malser auch bei den Gemeindefinanzen direkt mittreden.

Bürgerhaushalt nennt sich dieses Verfahren, das erstmals 1989 im brasilianischen Porto Alegre zum Einsatz kam und inzwischen in über 300 Kommunen Europas, von der Kleingemeinde bis hin zu Köln, Stuttgart, Berlin, mit Erfolg praktiziert wird. In einem geregelten, von der Gemeinde getragenen Verfahren können sich Bürger und Bürgerinnen am Haushaltsvoranschlag des Folgejahrs beteiligen, und zwar in Bürgerversammlungen, per Post und online. Die sperrige Materie der Gemeindefinanzen wird erläutert, der Verlauf des Beteiligungsverfahrens erklärt und dann sind alle aufgerufen, Vorschläge für neue Projekte und Vorhaben der Gemeinde einzubringen. In Zeiten etwas rückläufiger Gemeindeeinnahmen sind auch Vorschläge für Einsparungen erwünscht. Da finanzielle Fragen in Italien von jeder Art von Volksabstimmung ausgeschlossen sind, bietet dieses Instrument einen „deliberativen“ Ersatz an, als Verfahren zum Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft, wobei die Letztentscheidung dem Gemeinderat verbleibt.
Dieses Verfahren hat die Gemeinde Mals in der Satzung verankert (Art. 39, Abs.4) und wendet es jetzt für den Haushaltsvoranschlag 2017 erstmals an. „Wir haben versprochen, euch dieses Instrument zur Verfügung zu stellen,“ schreibt der Malser Bürgermeister Ulrich Veith in der offiziellen Broschüre, „jetzt halten wir Wort. Der Bürgerhaushalt wird heuer zum ersten Mal durchgeführt, eine Première fürs ganze Land.“ Diese Broschüre erhielten alle Malser Bürger im August zugestellt. Bei der Auftaktveranstaltung am 1. September im Malser Kulturhaus hielt sich der Andrang allerdings in Grenzen. Vielleicht können sich auch im demokratieinnovativen Mals noch zu wenige Menschen vorstellen, dass man als einfacher Bürger tatsächlich bei dem Gemeindefinanzen mitreden kann.
Dabei geht es beim Bürgerhaushalt vor allem um Vorschläge für neue Investitionsvorhaben der Gemeinde. Die politische Kreativität aller ist jetzt gefragt. Drei Wochen (Abgabetermin 24.9.2016) haben die Malser jetzt Zeit, der Gemeinde kurz gefasst Projektideen vorzulegen. Diese werden dann von einer pluralistisch besetzten Bürgerjury auf ihre rechtliche, technische und finanzielle Machbarkeit hin begutachtet und dann zur Schlussabstimmung zugelassen (oder auch nicht). Bei der abschließenden Bürgerversammlung vom 21. Oktober 2016 stellen die Einbringer ihre Projekte selbst vor und alle Teilnehmerinnen können live darüber abstimmen. Die Abstimmung per Wahlkarte geht dann noch eine Woche weiter. Am Ende erhält die Gemeinde eine Prioritätenrangliste von Bürgervorschlägen, die sie bei der Haushaltserstellung (Ausschuss) und bei der Verabschiedung (Gemeinderat) zu berücksichtigen hat. Als Mindestsumme für die Verwirklichung der bestbewerteten Bürgervorschläge hat BM Veith 200.000 Euro fix zugesagt, doch wenn die Projekte politisch überzeugen, kann der Aufwand dafür auch weit darüber hinausgehen.
Beim Geld wird die Politik konkret und die Gemeindefinanzen speisen sich aus dem Steuergeld der Bürger. Diese können beim Bürgerhaushalt jetzt erstmals direkt an einem Prozess mitwirken, der in der Regel nur ganz wenigen Fachleuten der Gemeinde vorbehalten bleibt. Begleitet wird dieses Verfahren von POLITiS, das 2013 eine Broschüre zum Thema herausgebracht hatte, sowie von der Fakultät für Design der Universität Bozen. Mehr Information, Transparenz, Verständlichkeit des Gemeindehaushalts ist angesagt als Voraussetzung, sich als Normalbürger aktiv in die Gestaltung der Gemeindefinanzen einzubringen. Mals geht auch hier einen neuen Weg.
SALTO, 2.9.2016

Lernen von den Nachbarn in Sachen Bürgerbeteiligung

Vorarlberg: ein Mekka der Bürgerräte

Wer das Beteiligungsverfahren des Bürgerrats kennenlernen will, pilgert am besten ins Ländle. 32 Bürgerräte hat das Bundesland Vorarlberg seit 2006 abgehalten, und seit März 2011 werden in Vorarlberg auch auf Landesebene halbjährlich Bürgerräte durchgeführt. Mit der Verankerung der partizipativen Demokratie in der Landesverfassung im Jänner 2013 wurde der Bürgerbeteiligung und damit den Bürgerräten zusätzliches Gewicht verliehen. Vor wenigen Wochen hat die Koordinierungsstelle für die Bürgerräte, das Zukunftsbüro der Vorarlberger Landesregierung, eine ziemlich positive Zwischenbilanz gezogen (vgl. www.vorarlberg.at/zukunft).

Was ist ein Bürgerrat? 12-16 Bürger und Bürgerinnen einer Gemeinde werden per Los ausgewählt, um zwei Tage lang ein für die Gemeinde wichtiges Thema zu beraten. Spezielle Vorkenntnisse und Vorbereitung sind nicht erforderlich. In kleiner Runde und begleitet durch professionelle Moderatoren diskutieren die Bürger, tauschen sich über Erfahrungen, Wünsche, Vorschläge und Zukunftsaussichten aus. Bürgerräte schließen mit Berichten ab, die nicht unbedingt konkrete Projekte umfassen, sondern der Politik Empfehlungen und Vorschlägen auf den Weg geben.
Welchen Einfluss hat dann ein Bürgerrat auf die politischen Entscheidungen? Die Ergebnisse eines Bürgerrats werden einige Wochen später bei einer öffentlichen, von der Gemeinde organisierten Veranstaltung - dem Bürgercafé - vorgestellt und mit den Gemeindepolitikern diskutiert. Anschließend werden die Ergebnisse von einer eigens eingerichteten Resonanzgruppe, bestehend aus Vertretern von Politik und Verwaltung, aufgegriffen. Diese öffentliche Diskussion trägt dazu bei, dass die Gemeindebürgerschaft insgesamt in einen Dialog tritt. Die Politiker, gleich ob auf Gemeinde- oder Landesebene, verpflichten sich vorab, sich mit den Ergebnissen und Ideen der Bürgerinnen auseinanderzusetzen und sie nach Möglichkeit zu beherzigen.
Bürgerräte haben sich bewährt als ein Sensorium in die Bürgerschaft zwischen den Wahlen. Immer mehr Vorarlberger fühlen sich motiviert, an einem solchen Bürgerrat mitzumachen, weil man ganz frei als Bürger, nicht als Vertreter von Partikularinteressen über Fragen des Gemeinwohls diskutiert. "Mit einem Bürgerrat wird ein Raum geschaffen," erläutert Manfred Hellrigl, Leiter des Vorarlberger Zukunftsbüros, "wo Menschen in ihrer Vielfalt zusammenkommen, unterschiedliche Meinungen artikulieren, sich aber nicht als Gegner betrachten, denn in unserem normalen fragmentierten Leben erleben wir kaum mehr, dass wir uns mit Andersdenkenden auseinandersetzen müssen. So aber kann ein neues Zielbild auftauchen."
Ein gelungener Bürgerrat führt - so die bisherige Erfahrung - zu einem umfassenden Verständnis einer politischen Situation oder eines Problems. Nicht so sehr eine Liste umzusetzender Projekte sei das Ergebnis, sondern die Verständigung zwischen Bürgern, worauf weitergehende Schritte aufbauen können. In Vorarlberg setzt man stark auf solche Formen der Partizipation, um eine möglichst qualifizierte, offene Meinungsbildung zu erlauben. Auch komplexe Fragen der Stadtentwicklung wie das Seestadt-Projekt in Bregenz, sind mit Bürgerräten bewältigt worden.
Ein Bürgerrat ist nicht zu verwechseln mit direkter Demokratie, also Volksrechten auf Mitentscheidung in der Politik. Im Vordergrund steht vielmehr die Verständigung, die Klärung, die Meinungsbildung und der Dialog auf Augenhöhe mit den Politikern. Bürgerräte stehen aber nicht in Konkurrenz zu direktdemokratischen Verfahren und zur gewählten politischen Vertretung, unterstreicht Hellrigl. Vielmehr bilden sie eine sinnvolle Ergänzung zum heutigen System, um einen Raum für qualifizierte, politische Diskussion und auch mehr Dialog zwischen den gewählten Vertretern und der Bevölkerung zu schaffen.
SALTO, 9.6.2014


Volksabstimmung in Bozen

Bürgerbeteiligung á la Penta

Hämische Kommentare haben sich die GRÜNEN mit ihrer Skepsis zur Bürgerbefragung zum Benko-Kaufhausprojekt eingehandelt, die Kommissar Penta für Ende März anberaumt hat. Die GRÜNEN hatten vor allem geltend gemacht, dass in solch kurzer Zeit keine vernünftige Information der Bürgerinnen organisiert werden könne. Jetzt, nach monatelanger Debatte, so meinte etwa die SWZ, trauten die GRÜNEN den Bürgern nicht mehr zu, bewusst Position zu diesem unseligen Projekt zu beziehen.
Penta mag die besten Absichten haben und Meinungsumfragen sowie „sonstige Formen der nicht verbindlichen Bürgerbefragung“ können, laut Art.60, Abs.2, der Bozner Satzung, auch ihren guten Sinn und Zweck haben. Doch stellt sich sowohl die Frage der methodischen Korrektheit dieser Befragung als auch ihrer korrekten Einbettung in einen demokratischen Entscheidungsprozess. Penta hätte auch ein wissenschaftliches Institut mit einer repräsentativen Erhebung zum Kaufhaus und zu denkbaren Alternativen beauftragen können. So ergibt sich zwar ein Meinungsbild, doch ist dieses weder repräsentativ noch rechtlich verbindlich, da eben keine Volksabstimmung und keine Erhebung.
Penta wäre besser beraten gewesen, diese Geschichte bis zur Neuwahl des Gemeinderats ruhen zu lassen. Plötzlich Eile, weil Benko und seine lokalen Statthalter schon wieder Druck machen und ein von Alt-BM Spagnolli gelegtes Kuckucksei ausgebrütet werden muss? Eine demokratisch voll legitimierte Entscheidung in dieser Frage kann ohnehin nur ein Gemeinderat treffen, oder auch eine echte Volksabstimmung einleiten oder erlauben. Die Ablehnung des Benkoprojektes durch den Gemeinderat im Juli 2015 kann nur durch eine neue Entscheidung des Gemeinderats demokratisch revidiert werden.
Zudem muss die von Penta jetzt wohlmeinend angestrebte Bürgerbeteiligung korrekt in das Entscheidungsverfahren eingebettet sein, und zwar mit bürgerfreundlichen Regeln und den passenden Verfahren. So etwa verbietet die heutige Bozner Satzung Volksabstimmungen zu Urbanistikfragen: eine unhaltbare Regel, die es sonst in Südtirol kaum gibt. Die Satzung sieht kein bestätigendes Referendum vor: ein großes Manko. Eine Reihe von Einzelregelungen ist dringend zu aktualisieren. Diese Reform müsste der neu gewählte Gemeinderat als erste angehen, und eben erst dann einen echten Bürgerentscheid zu ermöglichen.
Zu Recht verlangt darum die Initiative für mehr Demokratie einen sachgerechten Umgang mit den Instrumenten der Bürgerbeteiligung, gleich ob deliberativ oder direkt. In diesem Sinn wäre Schritt für Schritt vorzugehen:
1. Schritt: Neuwahl des Gemeinderats im Mai 2016 (wobei im Unterschied zum Mai 2015 die wahlwerbenden Listen aufzurufen sind, sich zu dieser leidigen Frage klar zu positionieren, damit die Wählerschaft sich besser orientieren kann).
2. Schritt: der neue Gemeinderat reformiert das direktdemokratische Instrumentarium, z.B. mit Einführung des bestätigenden Referendums, mit Zulassung aller nicht unbedingt auszuschließenden Sachbereiche (z.B. die Stadtplanung), Null-Quorum, Erleichterung der Unterschriftensammlung.
3. Entscheidung des Gemeinderats über das abgeänderte Benko-Projekt.
4. Die Bürgerschaft – gleich ob Gegner oder Befürworter – kann dagegen aufgrund der neuen Volksabstimmungsregeln ein bestätigendes Referendum anstrengen.
5. Volksabstimmung mit bindender Wirkung.
Dann wäre die Sache demokratisch geklärt und der SWZ, die notorisch direkte Demokratie ablehnt, wäre signalisiert: es braucht sehr wohl mehr Bürgerbeteiligung, aber kein Plebiszit, sondern korrekt geregelte und in den Entscheidungsprozess richtig eingebettete Verfahren.

SALTO, 2.2.2016

Direkte Demokratie

An der Wahlurne direkte Mitbestimmung befördern

Diese Woche geht die Debatte um die direkte Demokratie im Land in eine neue Runde, die nicht die letzte sein wird. Der mühsam erzielte, eigentlich unbefriedigende Kompromiss „Amhof-Noggler-Foppa“ wird weiter verwässert werden, denn die SVP hat erwartungsgemäß weitere Vorschläge zur Einschränkung eingebracht, davon drei ziemlich einschneidende:
• das Quorum soll auf 30% angehoben werden, obwohl in der Kommission ein Kompromiss von 25% erzielt worden war (vor 5 Jahren hatte sich die SVP beim Gesetz Schuler-Pichler-Rolle schon zur Abschaffung des Quorums durchgerungen);
• die Möglichkeit, über bestimmte Beschlüsse der Landesregierung abstimmen zu können, soll wieder gestrichen werden;
• es soll kein bestätigendes Referendum über Landesgesetze geben, damit würde das zentrale Kontrollrecht der Bürger gegenüber der politischen Vertretung entfallen.
Damit werden Eckpunkte der Kommissionsvorlage von Amhof-Foppa-Noggler wieder in Frage gestellt. Die wirklich mächtigen Interessengruppen innerhalb der SVP gewännen die Oberhand und verhinderten eine gerade noch akzeptable Lösung, das übliche Spiel. Dabei sind die Tage des Quorums als „Volksabstimmungskiller“ gezählt, denn laut Regierungsprogramm in Rom wird dieses größte Hindernis für funktionierende direkte Demokratie abgeschafft werden. Auf Gemeindeebene ist es in der Region bereits auf 25% für die größeren Gemeinden reduziert worden und auch die Provinz Trient ist dabei, das Quorum auf Landesebene auf 20% zu senken. Wenn es mit der Reform in Rom klappt, könnte Südtirol im Zuge dieser Verfassungsänderung wie die anderen Regionen gezwungen werden, sich der übergeordneten Gesetzeslage anzupassen.
Weil in der Regel die Landesregierung über Großprojekte entscheidet und viele weitere Entscheidungen von erheblicher Tragweite, Kosten und Auswirkungen trifft, ist es unverzichtbar, diese Beschlüsse gegebenenfalls Volksentscheiden zu unterwerfen. Wenn dieser Eckpunkt entfällt, bleibt die direkte Demokratie im Land weiterhin zum guten Teil zahnlos.
Das bestätigende Referendum und die Möglichkeit, über ein vom Landtag beschlossenes Gesetz abzustimmen, bevor es in Kraft tritt, ist eines der zwei Standbeine der direkten Demokratie. Die Bürger müssen im Zweifelsfall das Recht haben, bei einem unakzeptablen Gesetz ihr Veto einzulegen: dies ist das in der Schweiz am stärksten genutzte Recht, ein Muss für jede wirksame Bürgermitbestimmung.
Sollte die SVP diese in der Vorlage Foppa-Amhof-Noggler enthaltenen Fortschritte im Landtag kippen, kann man nicht mehr von einer echten Reform der Volkabstimmungsrechte sprechen. Dann hätten sich zum x-ten Mal die beteiligungsfeindlichen Kräfte in der SVP durchgesetzt, vor allem die Unternehmerverbände. Dann müsste es auch dem letzten Südtiroler Bürger aufgehen, dass mit dieser Landtagsmehrheit eine bürgerfreundliche Regelung der direkten Demokratie nicht zu haben ist, dass die SVP eine Partei der Eliten und starken Verbände bleibt, die Bürgerbeteiligung nur als Hindernis fürs Durchregieren und Durchsetzen von Interessen Weniger sehen. Wem Bürgerbeteiligung ein echtes Anliegen ist, der muss – wie auf staatsweiter Ebene geschehen - mit seiner Stimme an der Wahlurne für andere Mehrheiten sorgen.
SALTO, 23.7.2018


Landesgesetzentwurf fertig

Direkte Demokratie hat schweren Stand

„Wenn man will, dass in Südtirol politisch nichts weiter geht,“ hatte LH Kompatscher in der DOLOMITEN verlauten lassen, „braucht man nur diesen Gesetzentwurf zu verabschieden.“ Das verheißt einen noch steinigen Weg fürs neue Landesgesetz „Direkte Demokratie, Partizipation und politische Bildung“, den eine Arbeitsgruppe des Landtags (Foppa, Amhof, Noggler) in einem mehr als zweijährigen, partizipativen Prozess erstellt haben. Offene Veranstaltungen in allen Bezirken, Anhörungen von Experten, Anregungen von Bürgern und Vereinen: vor allem Amhof und Foppa hat ein veritables „Vernehmlassungsverfahren“ (Beispiel Schweiz) angestoßen, der sich als „Versuch der Vermittlung versteht zwischen den divergierenden Erwartungen der unterschiedlichen Teile der Gesellschaft, zwischen jenen der Politik und der Bürger und zwischen jenen der politischen Mehrheit und Minderheit (Begleitbericht zum Gesetzentwurf).
In der Tat gibt es im jetzt vorliegenden Entwurf bedeutsame Neuerungen. So wird die Zahl der Wahlberechtigten, die eine Volksabstimmung veranlassen können, auf 8.000 einheitlich abgesenkt. Ein wesentlicher Schritt zur Erleichterung, auch wenn die Pflicht zur Beglaubigung der Unterschriften durch Amtspersonen bleibt. Auch ein Drittel+1 der Landtagsabgeordneten wird eine Volksabstimmung veranlassen können, was eigentlich nicht zur Natur der Referendumsrechte als Bürgerrechte gehört und schwerlich durch den Landtag zu bringen sein wird. Das Quorum wird von heute 40% auf 25% abgesenkt und erstmals wird das bestätigende Referendum auf Landesgesetze eingeführt, das Vetorecht der Bürger. 300 Promotoren sollen vor Inkrafttreten eines Landesgesetzes eine Volksabstimmung beantragen können, dann in kurzer Frist 8.000 Unterschriften sammeln und damit eine Abstimmung erwirken (Näheres in dieser POLITiS-Publikation).
Wichtig auch die Neuerung, dass bei „ethnisch-kultureller Sensibilität“ einer Fragestellung nicht die bloße landesweite Mehrheit beim Volksentscheid ausreichen wird, sondern auch die Mehrheit in jenen Gemeinden erforderlich sein wird, wo jene Sprachgruppe die Mehrheit bildet, die die Frage der Sprachgruppensensibilität aufgeworfen hat. Diese Bestimmung könnte es der italienischen Sprachgruppe erleichtern, die dort weit verbreitete Skepsis gegenüber direkter Demokratie zu mildern. Keinen Erfolg hatte die im Vorfeld oft erhobene Forderung nach dem bestätigenden Referendum auf wichtige Beschlüsse der Landesregierung.
Der neue Gesetzentwurf wagt auch den Einstieg in ein weiteres Feld der Bürgerbeteiligung, nämlich die deliberative (also nicht-entscheidende) Bürgerbeteiligung. Allerdings wird nur eine von 15-20 möglichen Formen gesetzlich verankert, nämlich der Bürgerrat, eine der schwächsten Formen. Diese ist vor allem in Vorarlberg auf Gemeindeebene in den vergangenen Jahren mit gewissem Erfolg angewandt worden, hat in letzter Zeit aufgrund ihrer Zahnlosigkeit viel an Zuspruch und Interesse bei den Vorarlbergern eingebüßt. Ein wichtiger Aspekt der Bürgerbeteiligung wird mit diesem Entwurf wesentlich ausgebaut, nämlich die Information, Transparenz und politische Bildung. Der Landtag soll künftig die Pflicht haben, vor jeder Volksabstimmung alle Wahlberechtigten mittels einer Broschüre zu informieren. Ein eigenes Büro für Bürgerbeteiligung für die Begleitung dieser Prozesse und für politische Bildung wird beim Landtag errichtet.
Insgesamt ist dieser Gesetzentwurf von Foppa/Amhof/Noggler sowohl gegenüber den bestehendem Landesgesetz Nr.11/2005 als auch gegenüber dem letzten SVP-Gesetz vom Juni 2013 ein ganz wesentlicher Fortschritt. Es wird nicht mehr mit übermäßigen Hürden und einem zweistufigen Verfahren versucht, die Bürger möglichst von der Nutzung von Beteiligungsrechten abzuschrecken, auch wenn das unnötige Beteiligungsquorum noch bleibt. Es wird das bestätigende Referendum eingeführt und es werden Maßnahmen zur aktiven Unterstützung der Bürgerbeteiligung verankert. Grüne und Amhof+Noggler haben sich auf einen Kompromiss geeinigt. Das Problem ist nun zweierlei: zum einen die Schwächen dieser Kompromisslösung, zum anderen der Rest der SVP. Nur einige Beispiel für die Schwächen: es gibt kein bestätigendes Referendum auf wichtige Beschlüsse der Landesregierung, sondern nur eine nicht bindende Volksbefragung darauf. Es fehlt ein Gegenvorschlagsrecht des Landtags bei den Volksinitiativen. Es gibt eine schwache Form der deliberativen Demokratie. Zum anderen der politische Rückhalt. Dieses Gesetz wird von den Grünen und einem Teil der deutschen Opposition befürwortet, aber noch lange nicht vom SVP-Apparat als solchem. Mächtige Verbände werden innerhalb der SVP noch ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Wird der Entwurf aber im Landtag weiter verwässert, geht die SVP auch ein Risiko ein, nämlich jenes einer Neuauflage des bestätigenden Referendums vom Februar 2014, als eine klare Mehrheit der Wählerschaft das SVP-Gesetz vom Juni 2013 versenkte. Ein solches Referendum fiele zudem ins Wahljahr 2018, vielleicht doch ein Anlass für die SVP, sich in Sachen Beteiligungsrechte einen Ruck zu geben.

SALTO, 1.11.2016

Direkte Demokratie

Scheitert die Europäische Bürgerinitiative?

Erst 2012 geschaffen, könnte sie jetzt schon sanft entschlafen. Am 29. Oktober wird das Europäische Parlament über die Zukunft der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) aussprechen, das erste transnationale Instrument direkter Bürgerbeteiligung.

Dass es mit der EBI nicht mehr richtig läuft, hat spätestens der Widerstand gegen TTIP gezeigt. Fast 3,3 Millionen Unterschriften haben die Gegner des TTIP vorige Woche zusammengebracht. Nicht nur in 7 EU-Mitgliedsländern ist das von der EU-Regelung vorgesehenen Unterschriftsquoren erreicht worden, sondern in 23 Ländern. Doch viele, die unterschrieben haben, wussten vermutlich nicht: die Kampagne „Stopp TTIP“ ist keine offizielle EBI, die von der EU als solche zugelassen wurde, sondern eine freie Kampagne. Die EU-Kommission hat nämlich schon 2014, wie in zahlreichen Fällen, dieser Petition die Registrierung verweigert. Begründung: man können keine Volksinitiative zu einer laufenden Verhandlung starten, anders gesagt: die EU lässt es sich nicht verbieten über den Freihandel mit anderen Staaten zu verhandeln. Die TTIP-Gegner müssen somit zur Kenntnis nehmen, dass erst nach ausverhandeltem Abkommen eventuell ihr Druck aufs Parlament und Politik die Ratifizierung verhindern wird.
Die Nicht-Registrierung der EBI zum TTIP ist kein Einzelfall, sondern eher die Regel. Seit Aktivierung dieser Form von Massenpetition im April 2012 hat die Kommission 20 von 51 gestarteten Bürgerinitiativen abgelehnt, weitere 22 sind an der Hürde von einer Million Unterschriften gescheitert oder zurückgezogen worden. 4 EBIs werden derzeit geprüft, aber nur drei EBIs haben es bisher geschafft, von der Kommission überhaupt behandelt zu werden: eine gegen Tierversuche, eine gegen die Embryonenforschung, eine EBI für die Anerkennung des Menschenrechts auf Tierversuche). Hier die bisherige Bilanz.
Die EBI ist ein schwaches Instrument. Denn die Kommission kann solche Petitionen einfach nur mit einer kurzen Begründung ablehnen. Dies geschah auch bei diesen wenigen, die es bis zu diesem Punkt geschafft hatten. Der Berichterstatteter zur Reform der EBO, MEP Schöpflin, schlägt vor, dass die EU-Kommission künftig erfolgreiche Initiativen binnen eines Jahres mit einem Gesetzesvorschlag reagieren muss. Democracy International geht weiter und fordert eine ganze Reihe von Verbesserungen am Verfahren. Der Dachverband der Direktdemokratie-Vereinigungen will mehr Offenheit (z.B. eine genaue Begründungspflicht der EU-Kommission, wenn eine EBI für unzulässig erklärt wird; mehr Informationspflichten der EU), mehr Effizienz (das Quotensystem zur Unterschriftensammlung muss nutzerfreundlicher werden) und mehr Wirkung (Kostenerstattung an die Promotoren) und vor allem soll das EU-Parlament über jede erfolgreiche EBI im Plenum diskutieren und abstimmen müssen.
Dies alles wird aber nicht reichen, denn auch mit solchen Verbesserungen bleibt die EBI eine bloße Petition. Das kann auch AVAAZ, das kann auch auf freien Kanälen geschehen. Was es dagegen braucht, ist die EVI, die Europäische Volksinitiative, die bei Ablehnung einer Bürgerinitiativvorlage durch die Kommission zwingend zu einer europäischen Volksabstimmung führt. Darauf habe ich in meinem Bucht „Più democrazia per l’Europa“ schon 2010 hingewiesen. Noch dringender wäre die EBR, das Europäische Bestätigende Referendum“, mit dem Millionen EU-Bürger das Inkrafttreten einer inakzeptablen EU-Norm wie z.B. des TTIP, durch eine Volksabstimmung verhindern können. Erst diese Weiterentwicklung der Verfahren schafft wirksame Bürgerbeteiligung auf europäischer Ebene. Sie würde auch mehr gemeinsames Bewusstsein schaffen, dass wir Europäer von solchen Normen gleichermaßen betroffen sind und in einem gemeinsamen demokratischen System leben und uns auf demokratischem Weg wehren können.
SALTO, 23.10.2015


Direkte Demokratie und EU

Direkte Bürgerbeteiligung in der EU bisher enttäuschend

Das weltweit einzige transnationale Verfahren direkter Bürgerbeteiligung, die „Europäische Bürgerinitiative“ (EBI) funktioniert nicht. Nur ein mutiger Ausbau kann es retten.

Seit genau drei Jahren ist die EBI von der EU anwendbar eingerichtet worden, doch das bisherige Ergebnis ist ernüchternd. EU-Bürger haben 51 EBI vorgelegt, doch 20 davon sind von der EU-Kommission für nicht zulässig erklärt worden, während 28 es nicht geschafft haben, die nötige Mindestzahl von 1 Million Unterschriften zu sammeln. Nur drei EBI haben die Bedingungen erfüllt, doch keine ist von der EU-Kommission in einen Rechtsakt umgewandelt worden. Zuletzt hat am 3. März 2015 die EBI „Stoppt Tierversuche“ der EU 1.173.130 geprüfte Unterschriften vorgelegt. Von den 51 gestarteten EBI haben es somit nur drei geschafft, von der EU-Kommission beantwortet zu werden: „Wasser ist ein Menschenrecht“ gegen die Privatisierung des Wassers, „One of Us“ zum Schutz menschlicher Embryos und nun „Stoppt Tierversuche“. Dabei wird die EU-Kommission gar nicht verpflichtet, das Anliegen der jeweiligen EBI aufzunehmen, sondern kann es mit Begründung einfach ablehnen. Die Dachorganisation für direkte Demokratie democracy international befürchtet, dass die EBI zur Farce wird.
In diesen drei Jahren hat es sich erwiesen, dass die EBI-Verfahren zu viele technische und rechtliche Hindernisse für Promotoren und freie Organisationen aufwerfen. Viel zu wenig EU-Bürger wissen überhaupt von der Existenz der EBI, viel zu wenig politisch Interessierte besuchen das amtliche EU-Register mit den laufenden EBI, um eventuell selbst zu unterschreiben. Dafür genügen die Personalangaben. Die EU selbst hat unnötige inhaltliche Zulassungsbeschränkungen eingeführt, wenn man bedenkt, dass es bei der EBI nur um eine kollektive Petition geht, der keine Volksabstimmung folgt. So ist z.B. 2014 mit einem skandalösen Entscheid die EBI „Stopp der TTIP-Verhandlungen“ trotz der erfolgten Sammlung von 1 Million Unterschriften nicht zugelassen worden. Damit hat sich nicht nur gezeigt, dass eine reine Petition zu wenig Druck auf die EU ausüben kann, sondern auch zu wenig Bürger motiviert, überhaupt mitzumachen. Manche Mängel hat die EU-Kommission in einem ersten Bericht zur EBI selbst eingeräumt.
Nun liegt es an der EU, dieses Verfahren der Bürgerbeteiligung funktionstüchtiger zu gestalten. Die im April 2015 anstehende Bestandsaufnahme bietet dafür die Gelegenheit. EU-Abgeordnete, EBI-Promotoren, politische Organisationen haben appelliert, das erste elektronische und transnationale Beteiligungsverfahren zu retten. Dabei geht es nicht nur um die Einrichtung einer interaktiven Internetplattform und die stärkere Bewerbung. Es geht um die Rechtswirkung und den politischen Effekt eines solchen Beteiligungsverfahrens. Democracy international schlägt vor, dass sich nicht nur die EU-Kommission mit den erfolgreichen EBI vertieft auseinandersetzen muss, sondern auch das EU-Parlament jede EBI in der Vollversammlung behandeln und darüber abstimmen muss, andernfalls werden die Erwartungen von Millionen EU-Bürgerinnen nach mehr Demokratie in der EU frustriert.
Wie ich einer Publikation (Più democrazia per l’Europa, ARCA edizioni 2012) näher ausgeführt habe, ist auch eine Stärkung des Instruments selbst unumgänglich. Die EBI muss ergänzt werden mit der EVI, der Europäischen Volksinitiative. Wenn ein europäisches Volksbegehren von den EU-Organen nicht angenommen wird, muss es der gesamten EU-Wählerschaft zur Volksabstimmung vorgelegt werden. Eigentlich wäre erst dieser Schritt ein echter Einstieg in die direkte Demokratie auf EU-Ebene.
SALTO, 13.4.2015


Teilerfolg von M5S im Regionalrat (15.12.2014 auf SALTO)

Volksabstimmungen in den Gemeinden teilweise erleichtert

Im Verein mit anderen Fraktionen ist es den beiden Abgeordneten des M5S, Köllensperger und Degasperi, aber gelungen, einige Verbesserungen für die direkte Demokratie durchzubringen. Die Regelung der Volksabstimmungsrechte in der Gemeindeordnung von 2005 lassen nämlich stark zu wünschen übrig, entsprechend gering ist die Zahl der beantragten Abstimmungen. M5S hatte einige hundert Abänderungsanträge eingebracht, die z.T. auch von anderen Oppositionsparteien mitgetragen wurden, und die Mehrheit zu einem Dialog gezwungen. Schließlich ergab sich zu einigen Kernaspekten der Bürgerbeteiligung ein parteiübergreifender Konsens. In der neuen Gemeindeordnung gibt es folgende positiven Neuerungen:
 Das Recht auf ein bestätigendes Referendum ohne Quorum bei Abänderungen der Gemeindesatzung (wie auf Landesebene für die Regierungsformgesetze und auf Staatsebene für Verfassungsänderungen). Dafür müssen Unterschriften in einem nach Gemeindegröße gestaffelten Ausmaß gesammelt werden: in Gemeinden bis zu 10.000 Einwohner maximal 10%, in Gemeinden mit 10-30.000 Einwohner max. 7% und in solchen mit mehr als 30.000 Einwohner max. 5%. Die Promotoren haben dafür 90 Tage Zeit. Wenn die Mehrheit der Wählerschaft (ohne Quorum) sich gegen den Gemeindebeschluss stellt, tritt dieser nicht in Kraft.
 Die Absenkung der maximalen Unterschriftenhürde von 10 auf 5% für eine Volksabstimmung in allen Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern (also in Bozen, Brixen, Meran, Trient und Rovereto).
 Die Ausdehnung der Frist für die Unterschriftensammlung bei Volksabstimmungen auf 180 Tage, wodurch eine breite öffentliche Information und Diskussion ermöglicht wird.
 Die Einführung einer Höchstgrenze für das Beteiligungsquorum, das in den meisten Gemeinden immer noch bei 50% liegt. Künftig darf es in kleineren Gemeinden (bis 5.000 Einwohner) max. 30% und in größeren Gemeinden (ab 5.000 EW) maximal 25% betragen.
 Die Pflicht der Gemeindeverwaltungen, allen Wahlberechtigten bei Volksabstimmungen eine Informationsbroschüre zum Abstimmungsgegenstand zuzustellen, die von einer neutralen Kommission erstellt wird.
 Die Volksinitiativen müssen künftig rechtsverbindlichen Charakter haben.
Kein Gehör fanden Köllensperger und Degasperi mit dem Vorschlag, die Statutsinitiative einzuführen. Diese hätte es den Bürgern erlaubt, von sich aus Reformen der Gemeindesatzung anzuregen und – bei Ablehnung durch den Gemeinderat – selbst darüber abzustimmen. Nicht durchdringen konnten sie mit der Einführung der Abwahl des Bürgermeisters und des Gemeindeausschusses, und bei der generellen Abschaffung des Beteiligungsquorums. Auch die Briefwahl, die in Südtirol zwei Gemeinden in der Satzung verankert haben (Mals und Kurtatsch), wird nicht verpflichtend eingeführt. Die 333 Gemeinden der Region haben jetzt ein Jahr Zeit, ihre Satzungen dementsprechend anzupassen. Sie können aber, wie dies Mals und Kurtatsch getan haben, im Rahmen der Gemeindeautonomie auch weiter gehen und im Hinblick auf die Gemeindewahlen im Frühjahr 2015 die Mitbestimmungsrechte mutig ausbauen. Ein Thema dieser Wahlen wird diese Frage allemal sein.
(Erschienen aus SALTO)

INITIATIVE für mehr DEMOKRATIE stellt neue Initiative zum Wahlrecht vor

„Besser wählen“: aber wie?

Gut Ding braucht gut Weil, auch ein bürgerfreundliches Wahlrecht für den Landtag. Gut Weil ist vorbei, doch wo bleibt dieses „gut Ding“?

Nichts Geringeres als den Übergang von der Konkurrenzdemokratie zu einer Konkordanzdemokratie schwebt der INITIATIVE vor, „in der die gesamte Gesellschaft eine aktive Rolle spielt“ und die Kunst des Sich-aufeinander-Abstimmens lernt. Parteiunabhängiges Wählen soll ermöglicht werden, die Macht der Parteien und Interessengruppen soll zurückgedrängt werden, mit mehr Verpflichtung der gewählten Vertreter gegenüber den Wählern und „sachbezogener, parteiunabhängigen Mehrheiten“ (gemeint sind wohl parteiübergreifende Mehrheiten, zumal man die Parteien kaum abschaffen können wird). Das würde bedeuten, dass Parteien mit 70-80% Stimmenrückhalt gemeinsam regieren, dass es keine fixe Mehrheit und die immer gleiche Opposition gibt, dass im Landtag sich zu den verschiedenen Fragen unterschiedliche Mehrheiten bilden können, nach Schweizer Konkordanzprinzip also.
Mit einer fantasievoll aufgemachten Medienkonferenz vor dem Landtag mit Wahlkabinen, Kleinkunstwerken und Schweizer Wahlunterlagen präsentierte die INITIATIVE heute in diesem Sinn ihren Vorstoß „Besser Wählen“ für ein neues Wahlrecht zum Landtag. Wer einen Gesetzentwurf der INITIATIVE erwartet hatte, wurde vertröstet. Der Verein stellte erst einen „ersten Entwurf“ zur Diskussion. Dabei hatte sie schon im November 2012 erstmals ein Seminar mit dem Schweizer Experten Peter Müller zu einem neuen Wahlrecht abgehalten, dann immer wieder Vorschläge zum Wahlrecht angekündigt. Zur Reform des Landtagswahlrechts 2013 hatte sie keinen Gegenentwurf eingebracht. Ob die INITIATIVE ihren heutigen Entwurf in die 2017 anstehende Reform den Landtag bringen werde? Nein, meinte heute Stephan Lausch, das gehe sich nicht mehr aus, denn es müsse erst eine öffentliche Diskussion geführt werden. Wahlrecht als permanenter Entwurf sozusagen.
Partizipation ist also angesagt: nach dem Bürgerdialog zum Direkte-Demokratie-Gesetz und dem Autonomiekonvent nun auch zum Wahlgesetz für die Landtagswahlen. Dafür bietet die INITIATIVE elf offene Diskussionsforen in allen Landesteilen (Termine auf: www.dirdemdi.org) und eine Umfrage zu ihrem Wahlgesetzentwurf (vgl. Beilage der Zeitung MEHR DEMOKRATIE und online). Der Entwurf selbst liegt zwar noch nicht auf, doch eine Kurzdarstellung der Kernpunkte der geplanten Reform wird geboten. Darin listet die INITIATIVE eine breite Palette an Innovationen zum Wahlrecht auf: sie reicht vom Panaschieren und Kumulieren über strengere Anforderungen zur Bildung von Wahllisten zur Wahlkampfkostenbeschränkung, sie bringt Vorschläge zur besseren Information der Bürger vor Wahlen, zum Wahlmodus, zur Festlegung der Politikergehälter durch die Wählerschaft bis hin zur Abwahl des LH und der Landesregierung sowie der Direktwahl der Landesregierung, was das Autonomiestatut gar nicht zuließe. Sie wagt sich auch weit vor: so sollen Kandidaten auch direkt durch das Volk nominiert werden können und auf eigenen Listen oder für bestehende Parteien antreten dürfen. Doch bleibt die Frage offen: was macht die INITIATIVE mit ihrem Gesetzentwurf, wenn die Befragten das Meiste verwerfen?
Mit einer Zeitung an 10.000 Haushalte, einer Online-Befragung und 11 Veranstaltungen zum Thema „Wählen“ will die INITIATIVE die Menschen erreichen. Es scheint sie nicht zu stören, dass 10 dieser 11 Abende in die heiße Phase vor dem Verfassungsreferendum am 4. Dezember 2016 fallen, dass die Menschen also über besseres Wählen zum Landtag diskutieren sollen, just wenn die Regierung Renzi ganz Italien eine komplexe, gar nicht beteiligungsfreundliche Verfassungsreform zumutet, zu der erheblicher Informations- und Klärungsbedarf besteht. Die große Politik, die nebenbei auch Südtirol betrifft, scheint an der INITIATIVE vorbeizugehen. Kein Wunder, dass man auf ihrer Webseite weder eine Stellungnahme zum Verfassungsreferendum noch ein Wort zum Wahlrecht ITALICUM (das Gegenteil von fairem Wahlrecht) findet, das damit eng zusammenhängt. In ihrer mit Auflage 10.000 gedruckten Zeitung findet sich auch kein Wort zum anstehenden Verfassungsreferendum, noch hat die INITIATIVE die Unterschriftensammlung zur Erwirkung des Verfassungsreferendums unterstützt, die dann italienweit gescheitert war. Der Zusammenhang zwischen Souveränität der Bürger, „Besser Wählen“ und der Reform der übergeordneten Regeln scheint der INITIATIVE verschlossen geblieben zu sein.
SALTO, 11.10.2016

Partizipation innovativ

Kurtatsch geht neue Wege in der Bürgerbeteiligung

Transparenz und Rechenschaftslegung wird groß geschrieben in der Gemeinde Kurtatsch, seit fünf Jahren geführt von BM Martin Fischer, die auch eine freie Nominierung eingeführt hat.

Erstmals konnte die Kurtatscher Bürgerschaft zum Ende dieser Amtsperiode des Gemeinderats von der Möglichkeit Gebrauch machen, der Verwaltung ihre Zufriedenheit mit der geleisteten Arbeit rückzumelden. Die neue, im August 2014 verabschiedete Satzung sieht nämlich vor, dass alle Bürgerinnen und Bürger mit einem Fragebogen befragt werden und gleichzeitig auch Vorschläge für Kandidaten für die anstehenden Gemeindewahlen einreichen können.
Zunächst aber gab BM Fischer und sein Ausschuss ausführlich Rechenschaft (auch über die Internetseite) über alle von der Gemeinde in der ablaufenden Amtsperiode durchgeführten Maßnahmen, durchaus noch keine Selbstverständlichkeit in allen Gemeinden Südtirols. Er vergaß nicht, die programmatische Erklärung 2010-15 vom Beginn der Amtsperiode anzufügen, damit die Öffentlichkeit die geleistete Arbeit am zu Beginn angekündigten Programm messen könne. Schließlich wird auch die Anwesenheitsliste der Gemeinderäte und Ausschussmitglieder aufgeführt, mit Aufschluss über Konstanz und Engagement der Räte.
Von den 1.800 verteilten Fragebögen zwecks Evaluation der Arbeit der Gemeindeverwaltung sind Ende März nahezu 700 beantwortet worden, ein respektables Ergebnis. Die Auswertung der Antworten kann man auf der Internetseite der Gemeinde nachlesen. BM Fischer hat kein schlechtes Zeugnis erhalten, das lässt sich gleich sagen.
Erstmals konnten die Bürger von der Möglichkeit Gebrauch machen, Kandidaten für die kommenden Gemeinde- und BM-Wahl vorzuschlagen. Dabei gingen immerhin 25 Nennungen für Bürgermeister an, weitab an der Spitze der amtierende Martin Fischer, gefolgt von Andreas Anegg. Rund 150 KurtatscherInnen werden außerdem als mögliche Kandidatinnen für den Gemeinderat benannt. Die Parteien – und hier ist der Kurtatscher Pluralismus recht überschaubar – können sich anhand dieser Vorschläge gezielt um Kandidaten bemühen. Eine Art Testlauf für eine freie Nominierung von Kandidaten durch die Wähler könnte man diese neue Möglichkeit der Kurtatscher Satzung nennen. Zu diesem Schritt würde konsequenterweise die Einführung des Panaschierens, also der listenübergreifenden Vorzugsstimmenabgabe, passen.
Angemahnt wird freilich auch eine Aufwertung des Gemeinderats insgesamt: der Bürgermeister will sich dafür einsetzen, dass der Rat sich vertieft mit der strategischen Entwicklung der Gemeinde und gemeindepolitischen Grundsatzfragen befasst, mehr Einfluss auf die konkrete Politik erhält und damit für Räte und Bürger politisch interessanter wird. Das wäre, neben dem Ausbau der deliberativen und direkten Demokratie, kein schlechtes Rezept gegen die Schwierigkeit, überhaupt noch genug Kandidaten für den Gemeinderat zu finden.


Und hier die Regelung der Kurtatscher Satzung (Art. 41,Abs 3). Dieser Bericht mit dem Fragebogen ist dem Gemeinderat vorzulegen. Der Gemeinderat ernennt gleichzeitig mit der Genehmigung eine Kommission bestehend aus fünf Personen, in welcher alle Fraktionen vertreten sein müssen für die Überwachung der ordnungsgemäßen Versendung und Einsammlung der Fragebögen und der Auswertung derselben. Nach entsprechender Genehmigung wird der Bericht den Familien in geeigneter Weise zugestellt mit so vielen eigens abgestempelten und gezeichneten Fragebögen, wie Familienmitglieder sind, wobei alle Personen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr berücksichtigt werden. Für die Abgabe der Fragebögen wird im Rathaus eine eigene versiegelte Urne aufgestellt, die acht Tage, von einem Sonntag zu einem Sonntag, zugänglich sein muss. Die Auswertung der Ergebnisse der Fragebögen erfolgt von der vom Gemeinderat benannten Kommission. Die Ergebnisse werden im Gemeindeblatt und auf der Homepage der Gemeinde drei Monate vor Ende der Legislaturperiode veröffentlicht.

SALTO, 28.3.2015


Politische Mediation

Politische Mediation: ein Ausweg für Brixen?

In Brixen hat die Wählerschaft am 21.9. demokratisch entschieden. Die Mehrheit will keine Überspann-Seilbahn nach St. Andrä, sondern setzt auf den Bus.

Die mit ihrem Seilbahnprojekt unterlegenen Interessengruppen bringen jetzt eine Mediation als Lösung des Konflikts ins Spiel. Die Politische Mediation ist ein freiwilliges und strukturiertes Verfahren, in dem zwei oder mehrere Konfliktparteien mithilfe eines neutralen Mediators einen systematischen Kommunikationsprozess durchlaufen. Bekannte Beispiele für ähnliche Schlichtungsverfahren sind der Konflikt um den Ausbau des Frankfurter Flughafens und Stuttgart 21.

In Südtirol ist dieses Verfahren beim Flughafenausbau in Bozen eingesetzt worden. Diese chronisch defizitäre Infrastruktur hat das Land bisher über 100 Mio. Euro gekostet und wird höchstwahrscheinlich von der Mehrheit der Südtiroler abgelehnt. Auf Betreiben der L.Abg. a.D. Thaler beschloss die Landesregierung im Oktober 2006 die Einleitung einer Mediation und beauftragte einen spezialisierten Dienstleister. Die Verhandlung zog sich 6 Monate hin und wurde im Juli 2007 offiziell mit Übergabe der Dokumentation an die Landesregierung abgeschlossen. Die 288.000 Euro teure Mediation war ergebnislos verlaufen, das Problem schwelt noch heute. Allerdings war das Verfahren von vornherein nicht korrekt eingeleitet worden weil nicht alle wesentlichen Akteure beteiligt waren, wie etwa der DfNUS. Seitens der Landesregierung gab es zudem keine klare Zusage, sich ans Mediationsergebnis zu halten.

Für Brixens Verbindung nach St. Andrä eignet sich dieses Verfahren nicht. Der Konflikt ist zunächst durch demokratische Abstimmung über drei Optionen gelöst worden. Das Ergebnis ist bindend, die Stadt hat ihren Auftrag, den Bürgerwillen umzusetzen. Mit wem wollen sich die Überspann-Seilbahn-Betreiber an den Mediationstisch setzen? Mit den 5.000 Brixnern, die den Bus ausbauen wollen? Notfalls könnten diese auch klagen. Streng genommen kann dieses Ergebnis nur durch eine neue Volksabstimmung revidiert werden. Eine Mediation hätte vorher ins Spiel gebracht werden müssen.

Andere, anderswo erprobte Verfahren der Bürgerbeteiligung bei kommunalen Entwicklungsprojekten bieten sich an. So hat etwa Vorarlberg seit 2006 mit rund 40 „Bürgerräten“ positive Erfahrungen gemacht. In Lienz hat man mit einem innovativen Verfahren der Bürgerbeteiligung (Energierat der Stadt Lienz) ein aufwändiges Energieprojekt umgesetzt. Diese Bürgerpartizipation bei Planungsprozessen soll jetzt auch bei der Mobilitätspolitik in Lienz angewandt werden. „Charrette“ ist eine konsequente öffentliche Planungsmethode mit direkter Beteiligung der Bürger, die schon komplexe Probleme der Stadtentwicklung gelöst hat. Das einfache Prinzip: Betroffene, Entscheidungsträger, Projektentwickler und Planer reden und entwerfen miteinander Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren können in den konkreten Planungsvorgang integriert werden. Am ehesten kommt hier das „Bürgergutachten“ in Frage, das in Deutschland seit 1975 rund 30 Mal vor allem bei kommunalen Vorhaben im Verkehr, Energie und Stadtentwicklung angewandt worden ist. Mit solchen weit kostengünstigeren Verfahren als einer Mediation können Bürger im Vorfeld der Entscheidungen einbezogen werden. In Brixen hat man allerdings „im Vorfeld“ eine Bürgerinitiative von unten abgeblockt, weshalb Brixen auch bessere Regeln für die direkte Demokratie braucht.
SALTO, 30.9.2014

Direkte Demokratie – Rezension

Die „Mitmachfalle“: ist Partizipation eine neue Herrschaftstechnik?

„Es scheint sich bei den Regierenden die Einsicht durchzusetzen, dass ein gewisses Maß an zivilgesellschaftlicher Partizipation die Umsetzbarkeit, Effizienz und Legitimität der öffentlichen Verwaltung erheblich verbessert,“ ist eine der Grundthesen von Thomas Wagner in seinem neuen Buch „Die Mitmachfalle“, ist ihm doch die in Deutschland immer weiter verbreitete Bürgerbeteiligung grundsätzlich verdächtig. In seinem akribisch recherchierten Werk knöpft er sich jeden Ansatz einzeln vor, von Bürgerplattformen bis community organizing, von Bürgerhaushalten bis Bürgerräte, geißelt die allerorts stattfindende „Mitbestimmungssimulation“, um dann zum Schluss zu kommen: „Die Begeisterung für neue Beteiligungsformen hat weniger mit der Emanzipation der vielen als mit der Weiterentwicklung von Herrschaftstechniken durch das politische Establishment zu tun.“ Laut Wagner gäbe es zwei Tendenzen:
• Wo Bürgerbeteiligung die Durchsetzung von Interessen und die Verwirklichung von Projekten stört, wird sie abgebaut.
• Wo sie der Logik der etablierten Ordnung entspricht, wird sie gefördert.
So würde Partizipation mehr und mehr zum „Akzeptanzmanagement“ und zur Akzeptanzbeschaffung für Großprojekte verkommen. Die parlamentarische Demokratie werde zur „Mitmachgesellschaft“ umgebaut, ohne die realen Herrschaftsverhältnisse zu ändern. Kurz: „Statt den Bürgern eigene Entscheidungskompetenzen zu übertragen, lässt man sie nur mitreden“ (Wagner).
Worauf will Wagner mit seiner Analyse hinaus? Was er in Gefahr sieht, ist die alte Vorstellung von Demokratisierung als Übertragung des demokratischen Prinzips auf alle Lebensbereiche, vor allem auf die Ökonomie: „Wenn die Demokratie nicht aus der Sphäre des Politischen in die Sphäre des Ökonomischen erweitert wird, bleibt sie halbiert“ (Wagner). Denn was von der Partizipation wohlweislich ausgespart bleibe, sei die Veränderung der grundlegenden Spielregeln, nach denen die Gesellschaft funktioniert. Auch soziale und ökonomische Prozesse müssten demokratisch kontrolliert werden, sonst bleibe es bei der demokratiefeindlichen Abspaltung der Wirtschaft von der Gesellschaft. Im Arbeitsleben und in der Wirtschaft werde wenig geredet über Mitbestimmung und Demokratie. „Nur wenn die Verteilung des gesellschaftlich produzierten Reichtums und die ökonomischen Entscheidungen dem Demokratieprinzip zugänglich gemacht werden, kann die Sache der Partizipation vorangebracht werden.“
Damit schüttet Wagner das Kind mit dem Bad aus. Denn auch wenn eine Bürgerinitiative eine zusätzliche Verkehrsbelastung in einem Stadtviertel verhindert, hat sie zwar nicht Reichtum verteilt, aber Lebensqualität erhalten; auch wenn durch ein Referendum ein AKW verhindert wird, ist für die realen Lebensverhältnisse aller viel gewonnen. Andererseits trifft es auch zu, dass alle Bemühungen um mehr Demokratie an den Betriebsverfassungen nahezu spurlos vorübergegangen sind. Auch wenn man Thomas Wagner in vielen Einschätzungen nicht zustimmt, seine „Mitmachfalle“ schärft den Blick auf die verschiedenen Facetten deliberativer und direkter Demokratie. Anregend, wichtig, lesenswert.

Thomas Wagner (2014), Bürgerbeteiligung als Herrschaftsinstrument, PapyRossa, Berlin, ISBN 978-3-89438-527-9, 12,90 Euro
SALTO, 1.8.2014


Neue Satzung für Vignola

Italiens neue “Hauptstadt der Bürgerbeteiligung”

Außerhalb der Emilia-Romagna ist diese am Fuß des Apennins bei Modena gelegene Kleinstadt kaum bekannt, doch wird sie es werden. Denn seit 21. Juni 2016 hat Vignola eine neue Satzung, die für ganz Italien in Sachen Bürgerbeteiligung neue Maßstäbe setzt.
Es gibt Gemeinden, die jährlich einen Bürgerhaushalt betreiben, andere haben sich bessere Regelungen für Volksabstimmungen gegeben, andere haben ein gutes Wahlrecht. Vignola hat aus den Verfahren repräsentativer, deliberativer und direkter Demokratie eine nahezu optimale Kombination geschaffen und setzt neue Maßstäbe für die Bürgerbeteiligung. Vignola folgt damit im Wesentlichen den Empfehlungen von Paolo Michelotto und POLITiS in der Publikation „Die Gemeindepolitik mitgestalten“. Die neue Satzung (Satzung der Gemeinde Vignola pdf) ist am 21. Juni mit den Stimmen der Mehrheit aus Bürgerliste und M5S gegen die Stimmen der Opposition aus PD und Rechtsparteien verabschiedet worden. Ein großer Erfolg der Reformer mit BM Smeraldi an der Spitze in dieser schmucken Stadt.
Was im Einzelnen wird die Demokratie in Vignola so offen für die Mitbestimmung von unten machen? Hier nur das Wichtigste:
 Für elektronische Petitionen, die von allen Interessierten unterzeichnet werden können, wird auf der Internetseite der Gemeinde eine eigene Rubrik geschaffen. Der Bürgermeister muss binnen 60 Tagen antworten.
 Das „Wort den Bürgern“: eine neue Form von Bürgerversammlung, bei der über Bürgervorschläge diskutiert und abgestimmt wird (Hier eine kurze Erläuterung).
 Der Tag der Demokratie: Vignola widmet künftig mindestens einen Tag alle zwei Jahre der Bürgerbeteiligung mit einer Art Bürgerrat (vgl. Vorarlberg). Die Ergebnisse werden direkt dem Gemeinderat zur Beschlussfassung zugeleitet.
 Die „scelta partecipata“ wird eingeführt: eine Art Bürgergutachten in Form eines längeren Beteiligungsverfahrens an einem bestimmten Vorhaben der Gemeinde, eingeleitet durch ein Promotorenkomitee, begleitet durch die Gemeinde. Wenn die Gemeinde den Bürgervorschlag nicht annimmt, kann mit diesem Bürgervorschlag eine Volksinitiative eingeleitet werden (hier eine kurze Erläuterung).
 Der „Offene Gemeinderat“: Bürger können bei Sitzungen des Gemeinderats ihre Vorschläge einbringen und selbst das Wort ergreifen. Der Gemeinderat kann noch bei derselben Sitzung darüber entscheiden.
 Volksbegehren: zielt auf eine Entscheidung des Gemeinderats binnen drei Monaten.
 Volksinitiative: der Bürgervorschlag mit einer geringen Mindestzahl an Unterschriften wird vom Gemeinderat diskutiert. Wird er abgelehnt, kommt es automatisch zur Volksabstimmung ohne Quorum. Der Gemeinderat kann einen Gegenvorschlag zur Abstimmung bringen.
 Null-Quorum bei allen Volksabstimmungen.
 Die Volksabstimmungen haben bindende Wirkung. Die Gemeinde darf für die verbleibende Zeit der Amtsperiode diese Abstimmungsergebnisse nicht mehr verändern.
 Bestätigendes Referendum auf alle Beschlüsse des Gemeinderats. Wenn die Bürger 1000 Unterschriften sammeln, kann nach der Verabschiedung eines Beschlusses durch den Gemeinderat das Referendum ergriffen werden. Vignola ist die erste Gemeinde, die dieses Instrument für alle Verordnungen einführt (in Trentino-Südtirol gibt es das bestätigende Referendum seit 2015 für Satzungsänderungen).
 Das abschaffende (abrogative) Referendum ohne Quorum
Wie die treibenden Kräfte dieser Reform, Stadträtin Monica Maisani und Bürgermeister Smeraldi, versichern, sollen die Durchführungsordnungen zur neuen Satzung der Gemeinde Vignola bis zum Jahresende stehen und weitere Innovationen bringen. Vorbildlich ist nicht nur das Resultat, vorbildlich war auch der ganze partizipative Prozess, der zu dieser Reform geführt hat (www.partecipattiva.it). In Südtirol werden in Sachen Bürgerbeteiligung immer wieder Mals und Kurtatsch zitiert. Vignola geht weit darüber hinaus und macht klar, wie wenig insgesamt die Südtiroler Gemeinden den von der Gemeindeautonomie gebotenen Spielraum an Bürgerbeteiligung nutzen (vgl. auch das POLITiS-Dossier Nr.5/2015). Es wird auch klar, dass ein wohlmeinender Bürgermeister allein nicht ausreicht, wenn er von Parteien abhängt, die bei der Bürgerbeteiligung auf der Bremse stehen, wie in Meran 2015 geschehen. Vignola zeigt auf, wie es anders geht. Bürgerinitiativen für mehr direkte Beteiligung haben jetzt einen klaren Bezugspunkt in Italien: eine Satzung wie Vignola.
SALTO, 28.6.2016



Modellfall Tirol

Die Petition – Fast vergessenes Bürgerrecht

Das Petitionsrecht ist ein klassisches Bürgerrecht in Demokratien. Doch muss es zeitgemäß, also elektronisch, nutzbar sein, wenn es bürgerfreundlich geregelt sein und Politiker es ernstnehmen sollen.

Ansonsten müsste längst dafür gesorgt worden sein, dieses Recht zeitgemäß, also elektronisch ausüben zu können. Den Beweis dafür, dass dies auch auf Staatsebene funktionieren kann, liefert Großbritannien. Wenn für eine E-Petition mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt werden, muss die Regierung antworten. Über der Schwelle von 100.000 Unterschriften muss das Parlament die Petition diskutieren. Ein Beispiel: im Juli 2015 hinterlegte James Richard Owen seine Petition zur Legalisierung von Cannabis. Sechs Monate hätte er Zeit gehabt, die 100.000 Unterschriften zu sammeln, doch schon Mitte August 2015 hatte er das doppelte Maß beisammen als für die Erzwingung einer Parlamentsdebatte erforderlich. Diesen September kommt das Thema auf die Tagesordnung in Westminster. 431 Petitionen liegen derzeit im E-Register zur Zeichnung durch Wahlberechtigte auf. https://petition.parliament.uk/petitions?state=open
Das Petitionsrecht wird in Großbritannien immer stärker genutzt, seit es im Juli 2015 neu geregelt worden ist. Wie hier erläutert muss ein Bürger mit Unterstützung von fünf weiteren Bürgern einen Vorschlag vorlegen. Diese werden von einer Kommission geprüft. Jetzt gibt es klare und transparente Regeln und jeder weiß, wie er dran ist. Zwei Petitionen haben schon die 100.000-Unterschriften-Marke geknackt, in nur zwei Monaten.
Wie anderes doch die Lage in Italien. Im römischen Parlament warten derzeit über 1200 Petitionen auf Beantwortung und niemand weiß, wann und binnen welcher Frist der zuständige Ausschuss zu antworten geruhen wird. Für alle Interessierten offene elektronische Petitionen sind nicht möglich, nur die umständliche digitale Abgabe einer Petition durch einen Einzelnen. So ist dieses Instrument als Bürgerrecht ziemlich unattraktiv und zahnlos. Dasselbe gilt für die nächsthöhere Stufe der Bürgerbeteiligungsrechte, das Volksbegehren. Der Gesetzesvorschlag „Più democrazia e quorum zero“ ist nach zweijähriger Vorbereitung mit 50.000 Unterschriften (darunter etwa 7.000 aus Südtirol) am 24.8.2012 im Parlament eingebracht, aber in drei Jahren nie diskutiert worden. Einzig der M5S-Abgeordnete Fraccaro aus Trient hat diesen Vorschlag zur Einführung echter direkter Demokratie auf Staatsebene aufgegriffen und die Kommission für Verfassungsfragen damit befasst. Die gesamte Kommission einschließlich ihrer Südtiroler Mitglieder hat es abgelehnt, dieses Bürgeranliegen überhaupt zu diskutieren. In Großbritannien hat dies ein einziger Bürger mit Unterstützung übers Internet von 200.000 weiteren in zwei Monaten geschafft.
Eine ähnliche Möglichkeit besteht seit genau zwei Jahren im Bundesland Tirol. Jeder Bürger hat dort das Recht, formlos Petitionen im Tiroler Landtag einzubringen, und zwar in elektronischer Form. Diese liegen dort im Petitionsregister zur Zustimmung seitens anderer Bürger und Bürgerinnen 14-28 Tage auf, wobei auch Nicht-Staatsbürger unterzeichnen können. Diese am 1. September 2013 geschaffene Möglichkeit der elektronischen Petition wird von den Tirolern auch schon rege genutzt, denn 45 Petitionen sind schon eingegangen, wobei einige von mehr als 1000 Bürgern mitunterzeichnet worden sind. Die Petitionen werden dann an den Petitionsausschuss des Landtags übermittelt und müssen beantwortet werden.
Südtirol ist nicht nur bei der Regelung von Volksabstimmungen im Rückstand, sondern auch beim einfachen Recht auf Petition. Schon 2009 hatte die damaligen Volksanwältin Burgi Volgger die Schaffung der öffentlichen Internet-Petition beim Landtag angeregt, ohne Erfolg. Die oft beschworene Bürgernähe der Volksvertretung entsteht aber auch durch die Schaffung eines unkomplizierten Zugangs zu solchen Bürgerrechten.
SALTO, 1.9.2015

Iniziativa popolare

Proposte di legge “popolari” inutili?

In Italia 50 mila cittadini hanno il diritto a presentare una proposta di legge, assicura la Costituzione all’art. 71, 2. Una tale proposta non dà diritto a un referendum nel caso che venga respinta dal Parlamento che può anche non esprimersi in riguardo oppure archiviarla subito. Di regola tutta la procedura si conclude con un breve dibattito nella Commissione competente. Per far passare una proposta di legge “popolare” bisogna essere più fortunati che in Gratta-e-vinci. Non esistono neanche dei termini chiari entro i quali il Parlamento è obbligato a occuparsi di queste proposte.
Come riporta il sito Openpolis.com nel periodo 1979-2014 su un totale di 260 proposte di legge di iniziativa popolare presentate 153 non sono mai state discusse in Parlamento, altre 104 sono state bocciate e tre accolte. Le tre proposte trasformate in legge risalgono al 1983, con l’introduzione della cosiddetta Tutela dei minori, al 1992 con le restrizioni alla caccia e la contestuale tutela dell’ambiente, ed al 1996, con le nuove norme riguardanti la scuola dell’obbligo. Tra l’altro queste tre leggi sono diventate tali solamente perché accorpate in Testi Unificati con proposte di iniziativa parlamentare o governativa.
Spesso le proposte di legge “popolari” trattano argomenti importanti per la società e l’economia, firmati da centinaia di migliaia di cittadini. La proposta di modificare il sindacato unico della polizia fu firmato di 500 mila, una sul sostegno degli anziani, avanzato dai sindacati, da 494 mila, nuove norme sulla provenienza degli alimentari perfino da 1,5 milioni di cittadini. In altre parole: l’iniziativa legislativa popolare è letteralmente mortificata in Italia. L’unico rimedio sarebbe quello di introdurre la vera iniziativa popolare sul modello californiano e svizzero, cioè di passare al voto referendario una proposta di legge “popolare” non accolta dal Parlamento entro un termine tassativo.
Man non devono sentirsi frustrati solo i promotori instancabili di iniziative popolari. Anche gli stessi parlamentari non se la cavano meglio. E per rendersene conto bisogna analizzare un’altra statistica, che riguarda specificamente questa legislatura, scrive Il Tempo online. Nel periodo 2013-14 di questa legislatura soltanto 26 disegni di legge proposti dagli eletti in Parlamento, su quasi 4000, sono stati approvati, anche all’interno di Testi Unificati: Se la percentuale d’approvazione per il Governo è del 20%, qui non arriviamo neanche all’1% (0,66%). È sconvolgente che quasi 4000 proposte di legge stiano nelle cassette del Parlamento a prendere la muffa. Tra i disegni di legge presentati tanto per fare numero, e quelli per cui non si ha tempo di discutere, le proposte dei parlamentari stanno diventando sempre di più una perdita di tempo, scrive Il Tempo.
A suffragare questo ragionamento è ancora più interessante andare a vedere quali sono le percentuali con le quali i vari partiti vanno «a bersaglio»: il massimo risultato (se così possiamo dire) lo ottiene SEL, che su 86 proposte presentate ne ha viste approvate 4, il 4,49%. Il Partito Democratico ha depositato oltre 1.400 proposte, di cui solamente 11 sono diventate legge (0,77%), ma in questo caso il PD può consolarsi perché sta al Governo le cui proposte passano in misura ben maggiore. La percentuale aumenta per Forza Italia (1,11%) e per Scelta Civica (1,77). Tutte le altre forze politiche non vanno oltre il 2%.
Insomma, il succo è che in Italia l’iniziativa legislativa sembra essere affidata in assoluta prevalenza al Governo, e che ai membri del Parlamento resta il solo ruolo di controllo e modifica. Eleggere il governo e ratificare le proposte di legge del Governo non era però l’intento originale e unico del sistema parlamentare.
SALTO, 1.9.2017

Riforme istituzionali: più democrazia diretta nella Costituzione

Un'altra sfida per la democrazia italiana

Dopo l'approvazione della nuova legge elettorale ITALICUM nella Camera, il governo Renzi oggi si accinge ad un prossimo grande passo di riforma del sistema politico italiano, la trasformazione del Senato in un' "Assemblea delle autonomie", non elettivo, con composizione e funzioni del tutto diverse. Benché anche in riguardo ai tagli dei costi della politica resta ancora tanto da fare, ci sarebbe una terza riforma di gran importanza: quorum zero nei referendum e strumenti referendari nuovi ed efficaci. Possiamo sperare?

Il disegno di legge costituzionale presentato dal Governo per le modifiche costituzionali relativi a tutta una serie di articoli, invece non ne fa il minimo accenno. Si prevede di sopprimere le province, il CNEL, di trasformare il Senato, si abolisce la categoria delle "competenze concorrenti" (con quelle delle Regioni), tutte misure doverose. Non si toccano invece gli articoli 71, 73 e 74 della Costituzione, che in teoria potrebbero prevedere nuovi diritti referendari, e resta immutato l'articolo 75 sul referendum abrogativo: che delusione. Quindi non si tocca il quorum di partecipazione, meccanismo nefasto per l'esercizio del referendum e ragione per cui nel periodo 1997-2011 siano falliti 17 quesiti referendari. Non si riduce l'elenco di materie escluse da referendum, perciò i cittadini italiani continueranno a non poter decidere di tasse e tributi, non si introduce l'iniziativa popolare autentica, cioè quella seguita da votazione popolare. Ciò lascia immutata una situazione in cui il 90% delle proposte di legge di iniziativa popolare, firmate da almeno 50.000 persone, finiscono in un cassetto del Parlamento senza il minimo effetto. Non si pensa neanche all'introduzione del referendum confermativo anche per le leggi ordinarie, il diritto di veto più utilizzato dai cittadini nei sistemi di democrazia diretta più avanzata nel mondo.

Quindi lo strumentario di democrazia partecipativa a livello nazionale continua ad essere molto carente. Ne rimarranno delusi anche i 52.000 firmatari (di cui 7.000 in provincia di Bolzano) di una proposta di legge costituzionale di iniziativa popolare, intitolata: "Quorum zero e più democrazia", presentata al Parlamento nel luglio 2012. La proposta punta ad introdurre tutti gli strumenti fondamentali della democrazia diretta a livello nazionale. Dato lo scarso interesse dei partiti di governo di ampliare i diritti referendari, il Movimento 5 Stelle nel 2013 ha ripreso la proposta popolare per l'agenda della Commissione Affari Costituzionali.

Le riforme proposte in questa sede spaziano dall'introduzione dell'iniziativa popolare e del referendum confermativo per le leggi ordinarie fino al diritto di richiamo degli eletti. Quali effetti avrebbe tale riforma sul sistema politico italiano? Quali ricadute per le Regioni, Province e Comuni? Quali sono le prospettive di realizzare almeno una parte di queste idee nell'attuale quadro politico nazionale? Di questi argomenti, all'interno del ciclo di dibattiti sul futuro della partecipazione dei cittadini in Alto Adige, discutono questo giovedì, 3 aprile 2014, ore 20, a Bolzano (Kolpinghaus) Paolo Michelotto, attivista pro-democrazia diretta, promotore di uno dei blog più importanti per i diritti di partecipazione diretta dei cittadini in Italia e autore di varie pubblicazioni in materia; e il Dr. Sergio Bonagura, consigliere comunale a Bolzano, membro del direttivo del PD altoatesino, coordinatore dell'ARCI di Bolzano. Informazioni presso la coop. sociale POLITiS, Tel. 0471 973124, info@politis.it. Più informazioni su Quorumzero sul sito: www.quorumzeropiudemocrazia.it
SALTO, 31.3.2014

Lega-Referendumsantrag gescheitert

Italiens Referendumsrecht ist überholt

Letzte Woche ist der im Juni 2014 mit mehr als 500.000 Unterschriften vorgelegte Antrag der Lega Nord auf ein Referendum zur Abschaffung des Fornero-Gesetzes gescheitert. Man mag zur Lega und speziell zu ihren 6 Referendumsanträgen stehen wie man will (ich distanziere mich von allen), aber wie das Verfassungsgericht in solchen Fällen mit einem demokratischen Grundrecht umspringt, ist ebenso problematisch.

Die von der Regierung Monti in Kraft gesetzte Fornero-Pensionsreform von 2011 zielte darauf ab, das Rentenantrittsalter stufenweise bis 2018 auf 67 Jahre zu erhöhen. Die Begründung der Nicht-Zulässigkeit des Referendumsantrags der Lega Nord steht zwar noch aus. Es sieht aber danach aus, dass das Fornero-Gesetz (Gesetzesdekret 201/2011) als Teil des Salva-Italia-Dekrets als eine „steuerrechtliche Bestimmung“ eingestuft wird, gesetzestechnisch also Teil des Haushaltsmanövers für 2012. Damit wäre dieses Dekret wie alle Haushalts- und Steuerrechtsfragen in Italien von einer abschaffenden Volksabstimmung ausgeschlossen. Dieses Referendum war, im Unterschied zu den übrigen fünf Anträgen auch von der CGIL unterstützt worden.
Nun besagt Art.75, 2 der Verfassung: „Das Referendum ist nicht zulässig für Steuer- und Haushaltsgesetze, Amnestie- und Gnadenakte und die Genehmigung zur Ratifizierung internationaler Verträge.“ Vom Rentenrecht keine Rede. Warum sollten sich Bürger nicht gegen als ungerecht empfundene Rentenregelungen zur Wehr setzen können? Es ist ja nicht leicht einzusehen, warum Politikergehälter und –renten auf allen Ebenen jedem Zugriff der Bürger über die direkte Demokratie entzogen sein sollen.
Es geht hier um gleich zwei Aspekte des Referendumsrechts in Italien, die – ganz abgesehen von der Einschätzung der jeweiligen Volksbegehren – ein Hohn für ein demokratisches Verfahren sind. Zum ersten ist nicht nur jede Art von steuerpolitischer Frage ausgeschlossen. Die Bürger können, obwohl Steuerzahler, sich in keiner Weise direkt in die Regelung der Steuern und Gebühren in diesem Staat einbringen, und schon gar nicht in Haushaltsfragen. Ob das für die italienischen öffentlichen Finanzen so klug war, ist eine offene Frage. Wenn nun politische Fragen anderer Natur ins Haushaltsgesetz eingebaut werden, also nur formal mit Finanzen und Steuern verknüpft werden, werden sie damit ebenfalls jedem direktdemokratischen Zugriff entzogen. In der „legge finanziaria“ hat bekanntlich viel Platz. Mit diesem Kunstgriff wird einer Taktik Tür und Tor geöffnet, alles Mögliche vor Referenden dadurch zu schützen, dass es zum Teil des Haushaltsgesetzes erklärt wird.
Zum zweiten geht es um den Zeitpunkt der Zulässigkeitsprüfung und die Art der Entscheidung des Verfassungsgerichts. Vom Verfahren her ist es das Gegenteil von fair und bürgerfreundlich, wenn die Promotoren mit größter Mühe 500.000 beglaubigte Unterschriften sammeln und das Verfassungsreicht dies mit einem Federstrich hinterher zunichtemacht. In Ländern mit entwickelter direkter Demokratie wird die Zulässigkeit vorab geprüft. Im Übrigen hat das Verfassungsgericht schon früher, z.B. bei Referendumsanträgen der Radikalen zur Parteienfinanzierung, aus ganz politischen Gründen über die Zulässigkeit entschieden. Auch wenn man für solche Anträge nicht die geringste Sympathie hat, kann’s ein solcher Umgang mit einem politischen Grundrecht auch nicht sein.
SALTO, 24.1.2015

Per la democrazia diretta brutte notizie da Roma e Trento

I palazzi non cedono sui diritti referendari

Mentre nel Parlamento la maggioranza si accinge ad apportare modifiche blande e insufficienti al referendum abrogativo, arrivano brutte notizie anche dal Consiglio provinciale di Trento: la maggioranza sta cestinando integralmente il ddl di Più Democrazia.

A Roma non solo la riforma del Titolo V della Costituzione, tesa a restringere poteri e competenze delle Regioni a statuto ordinario, promette poco di buono. Le firme necessarie per una richiesta popolare di referendum saranno aumentate da 500.000 a 800.000. Non si offre però la contropartita, che i cittadini avrebbero potuto aspettarsi, cioè la cancellazione del quorum di partecipazione, meccanismo nefasto che fa fatto fallire tante votazioni referendarie. Invece, PD e sostenitori introdurranno un nuovo quorum: non più il 50% degli aventi diritto al voto, ma il 50% dei votanti alle ultime elezioni politiche, sta a dire il 40% circa degli elettori. Un emendamento insufficiente per prevenire campagne di boicottaggio. Inoltre, per un giudizio preventivo di ammissibilità del quesito referendario da parte della Corte Costituzionale i promotori dovranno aver raccolto 400.000 firme. Quindi cambia pochissimo rispetto la situazione attuale.

A Trento il Consiglio provinciale questi giorni si esprimerà sulla proposta di legge di iniziativa popolare presentata da “Più Democrazia” per dotare il Trentino di un regolamento migliore dei diritti referendari provinciali. Una proposta per tanti versi simile a quella portata a referendum propositivo nel 2009 da parte dell’iniziativa per più democrazia. Anche in quella sede il palazzo, cioè i partiti di maggioranza, non sembrano intenzionati di cedere un pezzettino di potere ai cittadini. Mentre il M5S nei suoi emendamenti vorrebbe rendere più preciso e severo il testo del ddl, gli emendamenti proposti dalla coalizione di maggioranza snaturano completamente i contenuti e la struttura dell’impianto normativo proposto dall’iniziativa popolare. Nella fattispecie, su un totale di 50 articoli contenuti nel ddl n.1/XV, n.39 vengono abrogati e 10 vengono sostituiti. Solo un unico articolo è stato recepito integralmente.

Alcuni esempi:
• si elimina il referendum confermativo facoltativo per leggi e atti amministrativi
• si aumenta da 8mila a 13mila firme la soglia per inoltrare una richiesta di referendum
• si elimina l’istituto del dibattito pubblici istituzionalizzato.
• si elimina la mozione di sfiducia di iniziativa degli elettori
• Si elimina il limite dei mandati
• si abbassa il quorum di partecipazione per i referendum consultivi (che non hanno effetto vincolante) dal 50 al 20%, quello per i referendum al 40%, cioè solo quello già presente a Bolzano, ma ultimamente screditato perfino dalla SVP
• si elimina la procedura semplificata per la richiesta del referendum propositivo
Seguono altri emendamenti perlopiù tesi a bloccare ogni effettivo miglioramento dello strumentario referendario, come riportato su http://piudemocraziaintrentino.org

Tutto sommato si profila uno snaturamento del ddl popolare su ampio fronte, una chiusura netta verso un ipotetico “nuovo modello trentino di democrazia diretta”, firmata dal PD, UPT, UAL e PATT. Deplorevole che anche nella nostra provincia vicina i partiti di governo non riescono a staccarsi da un concetto di politica che non si fida dei cittadini, che con tutti i modi cerca di ostacolare l’esercizio di strumenti di democrazia diretta. Deplorevole infine che neanche lo scandalo dei vitalizi sia riuscito a creare qualche ripensamento sul ruolo dei partiti e sui diritti di controllo dei cittadini.

SALTO, 16.7.2014

Verfassungsreform und direkte Demokratie

Renzis Pseudoreform der Referendumsrechte

Die Verfassungsreform der Regierung Renzi biegt schon in die Zielgerade. Neben Senatsumbau und gestutzten Kompetenzen der Regionen geht es darin am Rande auch um Änderungen der Referendumsrechte. Hat Renzi vor, die Kontrollrechte der Bürger zu stärken, was zum Ausgleich des neuen Wahlrechts durchaus notwendig wäre?

Eine echte Reform der Rechte auf direkte Beteiligung ist in Italien überfällig. Initiative und Referendum, Verfahrensweisen, Quorum – fast alles wäre neu zu fassen, um eine bürgerfreundliche und wirksame Beteiligung an der Politik von unten zu ermöglichen. Zwar sind seit 40 Jahren immer wieder Referenden lanciert worden, aber nur abrogative, eine eher zweitrangige Form der Volksabstimmung. Zwischen 1997 und 20009 sind alle Referenden am Quorum gescheitert, Millionen Italiener haben ihr Vertrauen in dieses Instrument verloren. Ein umfassendes Volksbegehren (www.quorumzeropiudemocrazia.it) liegt seit Sommer 2012 vor, das diese Rechte auf den Stand einer modernen Demokratie bringen würde.
Allein, an Renzi und seinem PD scheinen solche Vorstöße spurlos vorüber zu gehen. Die Unterschriftenhürde für ein abrogatives Referendum wird von 500.000 auf 800.000 geschraubt. Im Gegenzug könnte man sich den überfälligen Verzicht auf das Quorum erwarten. Schwer getäuscht: es wird nur leicht heruntergeschraubt, nämlich von 50% der Wählerschaft insgesamt auf 50% jener Wähler, die sich an den letzten Parlamentswahlen beteiligt haben. Ein schwacher Trost. Nach 400.000 gesammelten Unterschriften prüft künftig das Verfassungsgericht die Zulässigkeit eines Referendumsantrags. Sehr großzügig von Renzi, der anscheinend noch nie versucht hat, 400.000 beglaubigte Unterschriften auf der Straße zu sammeln.
Auch beim Volksbegehren bzw. der Volksinitiative nur Pseudoreform. Künftig sollen statt bisher 50.000 nun 250.000 Wahlberechtigte eine solche Vorlage unterzeichnen müssen, um sie dem Parlament vorlegen zu dürfen. Im Gegenzug gibt es eine „Verpflichtung“ des Parlament, diese zu behandeln. Da aber bei Untätigkeit der Gewählten keine Sanktionen vorgesehen sind geschweige denn irgendeine Öffnung hin zu einer echten Volksinitiative mit Volksabstimmung erfolgt, bleibt alles beim Alten, aber eben 200.000 Unterschriften mehr. Dabei sind heute schon 87% dieser Volksbegehren sang- und klanglos im Parlamentsschubladen verstaubt, wie eben „quorumzero“.
Die Abkehr vom perfekten Zweikammersystem mag für Italien der richtige Weg sein und auch eine regierungsfähige Mehrheiten, die stabile Regierungen wählt, braucht das Land. Doch gerade zum Ausgleich eines auch künftig stark auf Mehrheitsbildung ausgerichteten Wahlrechts (Italicum) und der entfallenden Kontrolle eines von einer Partei beherrschten Parlaments braucht es mehr Kontrollrechte des Bürgers, z.B. das echte bestätigende Referendum (für Verfassungsreformen erforderlich, nicht für Normalgesetze). In dieser Hinsicht scheint der PD immer noch einer alten, elitären Politikkultur verpflichtet.

SALTO, 21.7.2014

Il Parlamento europeo diventi un effettivo parlamento

Il PE ha il diritto di nominare il diritto di nominare il candidato per la presidenza della Commissione. Dal 2014 un’elezione di fatto”, mentre al Consiglio resta solo il diritto formale di proposta. Di nuovo il Trattato di Lisbona auspica una “continua parlamentarizzazione del sistema di governo dell’UE con un continuo potenziamento del Parlamento. Inoltre la Commissione dovrebbe dipendere dalla fiducia del Parlamento in modo permanente per tutta la legislatura. Ciò significa che va introdotto il voto di sfiducia costruttivo secondo il modello tedesco. A questo rapporto fra esecutivo e legislativo fa specchio (?) un ruolo di legislatore primario del Parlamento, che oggi divide questo ruolo con la Commissione e il Consiglio europeo.
L’Ue oggi non dispone di due camere come i classici modelli di Stati federali quali gli USA, Germania, Svizzera, in cui una camera è eletta secondo il principio puramente democratico-rappresentativo, mentre l’altra viene composta da rappresentanti delle singole unità federate secondo il principio federale, cioè in misura paritaria. Nel caso dell’Ue va riflettuto sull’istituzione di una vera e propria Camera degli Stati a composizione paritaria, mentre non vanno aboliti i contingenti differenziati di seggi secondo i paesi membri nel Parlamento. Variare questi contingenti per aggiustare la proporzionalità fra elettori e seggi potrebbe creare un senso di discriminazione dei paesi medio-piccoli e bloccare tutto il progetto di riforma sin dall’inizio. Come nei sistemi elettorali nazionali, la ripartizione dei seggi sui paesi membri deve consentire di riflettere il pluralismo politico interno.
D’altra parte bisogna far sì che effettivamente il Parlamento conti di più nell’architettura istituzionale, che ci sia effettiva divisione del potere e che di riflesso anche la partecipazione al voto nei singoli paesi sia più forte. Attraverso una modifica dei Trattati il Parlamento dovrà ottenere il diritto di presentare progetti di norme europee, quindi essere l’istanza legislativa dell’Ue. Di tal modo si arriverebbe ad una divisone dei poteri più coerente con il parlamentarismo classico, soprattutto per quanto riguarda la funzione legislativa. Questa andrebbe attribuita esclusivamente o principalmente al Parlamento.
Il Parlamento rappresenta tutti i cittadini a livello centrale comunitario, in virtù del principio democratico di uguaglianza di tutti i cittadini dell’Ue. Il Parlamento, come esposto sopra, va eletto direttamente dai cittadini in base al sistema elettorale proporzionale con un diritto elettorale comune e unitario per tutto il territorio comunitario, perché l'uguaglianza dei voti è salvaguardata solo se si vota dappertutto secondo le stesse regole. Il Parlamento deve avere il diritto d'iniziativa per le norme europee e approvare le norme comunitarie insieme alla Camera degli Stati e alla Camera delle Regioni. Inoltre dovrà avere il pieno diritto di decisione sul bilancio preventivo, fornito dalla Commissione. Il Presidente della Commissione, come esposto sopra, andrebbe eletto dal Parlamento, benché fosse pensabile anche la sua elezione diretta da parte dei cittadini europei. Il Parlamento avrebbe anche il diritto di eleggere i Commissari. Qualora bocciasse qualche candidato Commissario, il Presidente della Commissione dovrebbe nominare nuovi candidati.
Un altro problema di fondo dell'assetto istituzionale odierno è il rapporto tra Parlamento ed esecutivo europeo che non riproduce la fisiologia del rapporto di fiducia nel tipico governo parlamentare. Una riforma democratica dell’Ue non esclude la possibilità di grandi coalizioni in funzione di un governo di “concordanza”, ma dovrebbe ridurre il peso dell'appartenenza nazionale dei suoi membri. Un governo europeo, espressione di un voto di fiducia del Parlamento, sarebbe eletto in base ai suoi programmi ed orientamenti politici, non tanto in base alla nazionalità dei suoi componenti. Gli europarlamentari eletti con un sistema comune e unitario rappresentano i cittadini europei e si organizzeranno non lungo linee nazionali, ma politiche in senso stretto. Le procedure del PE dovranno somigliare il più possibile a quelle di un Parlamento “normale”, con i suoi gruppi parlamentari, le sue commissioni, con le decisioni a maggioranza e la dialettica fra maggioranza e opposizione.
Perciò, per la mozione di sfiducia nei confronti della Commissione da parte del Parlamento dovrà bastare la semplice maggioranza, invece della maggioranza di due terzi prevista attualmente. Diversamente da quanto contemplato dal Trattato di Lisbona, il Parlamento dovrà avere il diritto di pronunciare la sfiducia al singolo commissario e/o al Presidente della Commissione e/o all’Alto rappresentante anche nel corso della legislatura, mentre finora ciò è consentito soltanto per la Commissione in toto. Resterebbe in vigore la facoltà del Parlamento di proporre modifiche al Trattato costituzionale (art. 48, comma 2, TUE).

SALTO, 1.12.2018


Die SVP beantragt das bestätigende Referendum für ihr eigenes Gesetz

Kein guter Einfall

Seit 2001 könnte Südtirol eine gute Regelung der Bürgerbeteiligung haben, wenn es nicht eine mächtige Bremskraft gäbe: die SVP. Das letzte seltsame Manöver zur direkten Demokratie ist ihr Antrag aufs bestätigende Referendum gemäß L.G. Nr.10/2002 zu ihrem eigenen Landesgesetz vom Juni 2013. Schweizer würden sich an den Kopf greifen, wenn ihre Regierungspartei einen solchen Einfall hätte.

Vielleicht muss man an dieser Stelle an den ursprünglichen Zweck dieses bestätigenden Referendums erinnern, das nur - und zwar ohne Quorum - gegen die Landesgesetze zum Wahlrecht und zur direkten Demokratie ausgeübt werden kann. Mindestens 8.000 Bürger oder 7 Landtagsabgeordnete können es verlangen. Es ist ein klassisches Abwehrrecht der Bürger oder der Opposition im gesetzgebenden Organ, das sich genauso in der italienischen Verfassung für die Verfassungsänderungen findet. Eine Mindestzahl von Regionen, Parlamentariern oder Bürgern kann bei ohne 2-3-Mehrheit erfolgten Verfassungsänderungen dieses Referendum verlangen. Dies war in Italien 2001 und 2006 der Fall.

Genauso soll auf Landesebene dieses Instrument den Bürgern oder Oppositionsparteien eine Art Veto-Recht zur Hand geben, wenn sie sich von der Regierungsmehrheit überrumpelt fühlen. Dies ist beim Bürgerbeteiligungsgesetz der SVP zum ersten Mal der Fall. Ein unzureichendes Gesetzeswerk, gegen das die Initiative für mehr Demokratie im Sommer über 10.000 Unterschriften gesammelt hat, wird ein Veto eingelegt. Somit muss es im Jänner 2013 zur Volksabstimmung kommen, dem Konsenstest.

Wenn die SVP den Willen der Bevölkerung zu ihrem Entwurf erkunden hätte wollen, hätte sie eine passendere Möglichkeit gehabt. Denn das geltende Gesetz zur direkten Demokratie aus 2005 (das neue ist noch nicht in Kraft) bietet zu diesem Zweck die sog. beratende Volksabstimmung zu Gesetzentwürfen des Landtags (Art. 16, Abs.1, des LG Nr. 11/2005). Die SVP hat aber ihr Gesetz mit ihren 18 Stimmen durchgedrückt mit der Begründung, es sei das zweitbeste Gesetz Europas zur direkten Demokratie. Dennoch will sie selbst ein Referendum darüber.

Diese plötzliche Abstimmungsfreundlichkeit steht in krassem Gegensatz zu ihrer bisherigen Linie. Nur zur Erinnerung: obwohl das Autonomiestatut die Bürgerbeteiligung seit 2001 verlangt, hat die SVP erst 2005 nach viel Druck von unten einem ziemlich unzureichenden Gesetz zugestimmt. Die Reform der direkten Demokratie im Sinne der Bürgerinitiativen hat sie jahrelang abgelehnt. Vor der Volksabstimmung 2009 hat sie den Südtirolern das Recht bestritten, überhaupt über die Regeln der Bürgerbeteiligung abstimmen zu dürfen. Dem neuen Volksbegehren 2011 hat sie gar nicht Rechnung getragen. Den Vorschlag der INITIATIVE, eine bessere Form der Volksinitiative einzuführen, um die Bürger zwischen einer Landtagsvorlage und einer Bürgervorlage entscheiden zu lassen, hat sie abgelehnt. Im neuen, im Juni 2013 verabschiedeten Gesetz wird das bestätigende Referendum als Beteiligungsrecht überhaupt ignoriert. Im Gegenteil: Volksinitiativen zu den Regeln der Demokratie werden gar ausdrücklich ausgeschlossen. Seltsam ist schließlich, dass die SVP das Veto-Referendum erst vorgestern beantragt hat, als vor Tagen feststand, dass die INITIATIVE die nötigen Unterschriften gesammelt hat. Die Bürger können sich darauf einen Reim machen.

(erschienen auf SALTO 17.9.2013)


Verfassungsreform

Renzi und die Volksabstimmungsrechte

„Più efficienza! Più partecipazione“ verkündete das Spruchband, mit dem das Komitee für das JA die neue Verfassung am 6.6. in Bozen bewarb. Mehr Effizienz muss sich noch erweisen, bei der Bürgerbeteiligung ist die Reform ein Reinfall.

In Sachen direkte Demokratie bringt diese Reform nur zwei Neuerungen. Für einen Volksbegehrensgesetzentwurf (ohne Recht auf Volksabstimmung) werden künftig 150.000 statt der bisher 50.000 Unterschriften gefordert. Dennoch ist das Parlament immer frei, dieses Volksbegehren abzulehnen oder einfach verstauben zu lassen. Nicht einmal genaue Fristen für die Behandlung durchs Parlament hat die neue Verfassung festgelegt, obwohl sie bei allen übrigen Gesetzgebungsverfahren sehr genaue Fristen definiert. Ein Staatsgesetz soll das genauer regeln.
Das Beteiligungsquorum wird leicht abgeschwächt, nämlich auf die Mehrheit nicht der Wahlberechtigten, sondern der Abstimmenden bei den jeweils vorangegangenen Wahlen zur Abgeordnetenkammer (Art. 75, Abs. 4). Dies gilt allerdings nur, sofern 800.000 Bürger und Bürgerinnen den Referendumsantrag unterschrieben haben.
Schließlich soll – so die Renzi-Reform – mit einem weiteren Verfassungsgesetz das sog. propositive Referendum eingeführt werden (referendum popolari propositivi e di indirizzo, Art. 71, 4. Absatz). Das Nähere soll ein Staatsgesetz regeln. Dieses Recht auf echte Volksinitiative (Volksabstimmung über vom Volk eingebrachte Gesetzentwürfe) wird also in Aussicht gestellt, aber auf die nächste Verfassungsreform verschoben. Eine Ankündigung von Reformen im Verfassungstext.
Diese Neuerungen klingen wie ein Hohn auf die vielfachen Bestrebungen, die Grundrechte der Bürger Italiens auf direkte Mitbestimmung auszubauen. Welchen triftigen Grund gab es, die Unterschriftenzahl für das reine Volksbegehren zu verdreifachen, ohne in der Verfassung selbst klare Termine für deren Behandlung durchs Parlament festzulegen? Da einem solchen Volksbegehren bei Ablehnung durchs Parlament (zukünftig infolge des ITALICUM-Wahlrechts nur mehr eine Kammer beherrscht von einer einzigen Partei) keine Volksabstimmung folgt, werden noch weniger und noch seltener Bürger die Initiative ergreifen. Die direkte Beteiligung nimmt ab.
Die echte Volksinitiative, also die Einbringung eines Gesetzesvorschlags durch die Bürger mit dem Recht auf Volksabstimmung darüber, wird verschoben. Dabei konnte ein solches Grundrecht mit 2-3 Sätzen sofort verankert werden, statt die Bürger zu vertrösten. Ein unlogisches und unfaires Vorgehen, genauso wie die neue Quorumsregelung. Das Quorum hat sich bekanntlich als äußerst negativ für die frei Ausübung des Referendumsrechts erwiesen. Über Boykottkampagnen der Gegner wurden die meisten Referenden zum Scheitern gebracht. Dabei haben es bisher die wenigsten Referendumspromotoren geschafft, 800.000 statt der geforderten 500.000 Unterschriften zu sammeln, weil in Italien die umständliche Beglaubigung der Unterschriften das erschwert. Die Renzi-Reform senkt also nur theoretisch dieses Hindernis. Das 50%-Quorum sollte eigentlich ganz gestrichen werden, wird nun aber weiterhin die meisten Volksabstimmungen behindern. Gar keine Rede ist in der Reform vom bestätigenden Referendum auf normale Staatsgesetze. Gemessen an den Vorschlägen des Volksbegehrens www.quorumzeropiudemocrazia.it ist Renzis Verfassungsreform eine volle Enttäuschung. Näheres dazu auch in den „20 guten Gründen für ein NEIN“.

SALTO 24.9.2016




Volksbegehren

Unterschreiben für ein faires Wahlrecht

Bei einer Podiumsdiskussion im Bozner Stadttheater am 7.2.2018 hat LH Kompatscher wieder mal das neue Wahlrecht als sehr minderheitenfreundlich gelobt. Jeder könne sich bei den Wahlkreisen mit Mehrheitswahlrecht bewerben und wen die Opposition sich dem Wettbewerb nicht stelle, sei sie selbst schuld. Abgesehen vom der sehr „minderheitenfreundlichen“ 40%-Wahlhürde bezogen auf Südtirol (rechtlich 20% auf regionaler Ebene), nutzt das von der Regierungsmehrheit arrangierte ROSATELLUM II tatsächlich zwei politischen Minderheiten im Land am meisten: der SVP (45,7% bei den Landtagswahlen 2013) und dem PD (6,7% bei den Landtagwahlen 2013). Alle Parlamentssitze gehen an diese beiden Kräfte, ausgehend von den letzten Landtagswahlen bleiben 48% der Wählerschaft außen vor.
Nun wählt Italien und Südtirol am 4.3. ein neues Parlament mit diesem unfairen Wahlrecht, das 2017 schon vor dem Verfassungsgericht angefochten worden ist. Mehrere Verfassungsgrundrechte scheinen verletzt zu sein, wie z.B. das Recht auf freie und direkte Wahl der politischen Vertreter, weil keine Vorzugsstimmen abgegeben werden können. Nun hat das „Coordinamento per la democrazia costituzionale“ unabhängig vom Ausgang des Verfahrens vor dem Verfassungsreicht ein Volksbegehren für ein faires Wahlrecht vorgelegt. Das neugewählte Parlament wird sich damit zu befassen haben. Sollte das ROSATELLUM II als verfassungswidrig eingestuft werden, wäre auch das neue Parlament delegitimiert, wie es das letzte, mit dem ITALICUM gewählte Parlament schon war.
Der Volksbegehrensvorschlag geht davon aus, dass ein Mehrheitswahlprinzip für eine Parteienlandschaft mit drei ungefähr gleich starken politischen Kräften kaum stabile Mehrheiten produzieren kann. Nur ein Verhältniswahlrecht bildet die Positionen der Wählerschaft getreu ab. Sowohl das PORCELLUM wie das ITALICUM wollten mit einem hohen Mehrheitsbonus die Regierungsfähigkeit sicherstellen. Denselben Effekt strebt die Einrichtung der Ein-Personen-Wahlkreise an, nach welchem 36% der Sitze des neuen Parlaments gewählt werden. Auch dieser Teil der Parlamentssitze soll laut Volksbegehren mit Verhältniswahlrecht gewählt werden.
Dann wird gemäß ROSATELLUM II das Votum eines Wählers im Mehrheitswahlrechts-Wahlkreis direkt auf die Wahl der Kandidaten gemäß Verhältniswahlrecht (64% der Sitze) übertragen. Die Bürgerin hat also keine Wahl, muss im Block 3-5 von der jeweiligen Parteizentrale bestimmte Kandidaten akzeptieren. Diese beiden Wahlentscheidungen für den Ein-Personen-Wahlkreis einerseits und für den Mehr-Personen-Wahlkreis andererseits müssen getrennt werden, die Vorzugsstimmenabgabe, also die Entscheidung zwischen mehreren Kandidaten wieder eingeführt werden. Über dies braucht es die Freiheit, im Ein-Personen-Wahlkreis eine Liste wählen zu können, im Mehr-Personen-Wahlkreis eine andere, nach dem Modell des bundesdeutschen Wahlrechts.
Welche sind die Kernpunkte des vorgeschlagenen alternativen Wahlrechts?
1. Priorität hat die Repräsentativität des Parlaments. Deshalb sollten alle Sitze mit Verhältniswahlrecht vergeben werden.
2. Die „blockierten Listen“ müssten überwunden werden. Ein-Personen-Wahlkreise und Mehrpersonen-Wahlkreise müssen getrennt gewählt werden. Man kann verschiedene Parteien und Kandidaten ankreuzen (wie in Deutschland).
3. Die Figur des „Chefs der politischen Kraft“ würde abgeschafft, die Mehrfachkandidaturen (wie z.B. jene von Boschi) in mehreren Wahlkreisen würden abgeschafft. Damit wird der Kandidat ans Territorium gebunden.
4. Die Köder-Listen („liste civetta“) werden abgeschafft. Die heutige Regelung sieht vor, dass Listen, die Bündnisse eingegangen sind, die nicht die 3%-Hürde überschreiten, für die Stimmenzahl gezählt werden, sofern sie 1% der Stimmen erreichen. Eine Besonderheit im italienischen Wahlrecht, die vor allem Taktieren und Postenschacher dient.
5. Die Transparenz und der Pluralismus in der Bestimmung der Kandidaten müssen auch innerparteilich gewährleistet werden in Form eines Rechtes der Parteimitglieder auf freie Wahl der Kandidaten. Das Volksbegehren will damit die Bürgerbeteiligung und innerparteiliche Demokratie fördern.
Natürlich hätte das Volksbegehren auch die Sonderregelungen für Südtirol berücksichtigen müssen, z.B. indem das reine Verhältniswahlrecht mit einem einzigen Wahlkreis für Südtirol eingeführt würde. Nur diese Art zu wählen würde die reale politische Landschaft Südtirols treuer im Parlament abbilden. Doch eine Verbesserung brächte dieses Volksbegehren allemal, das noch bis etwa Ende Juli 2018 in den Rathäusern der Gemeinden Italiens unterschrieben werden kann.
SALTO, 21.2.2018


Die nächsten Volksinitiativen

Über die Landebahn hinaus

Die Volksbefragung zum Flughafenausbau in zwei Wochen hat das Potenzial der direkten Demokratie auf Landesebene aufgezeigt.

Weil das Quorum als Geste guten Willens diesmal entfällt, kam es zu keiner Boykottkampagne. Befürworter und Gegner mussten sich gleichermaßen ins Zeug legen. Südtirol hat eine breite Debatte zu einer Sachfrage auch quer durch die Parteien und Verbände erlebt, ganz im Schweizer Stil. Die Medien sind als Plattformen der kontroversen Diskussion eingestiegen, und viele neue Stimmen konnten sich artikulieren. So war die indirekt über den Landeshaushalt finanzierte Eigenwerbung des ABD nicht mehr von Gewicht, wurde vom Info-Heft des Landtags aufgewogen.
Im Unterschied zur massiven Schräglage im Abstimmungskampf bei der Bürgerbefragung in Bozen zugunsten der Benko-Projektbetreiber, war diese Debatte ausgeglichener. Eine der positiven Wirkungen der direkten Demokratie ist genau dies: eine breite Sachdebatte, die allen die Chance auf Wortmeldung gibt und die Lobbys zwingt, für ihre Vorhaben die Karten auf den Tisch zu legen, wobei auch diesmal nicht viele Trümpfe zu finden waren. Im neuen Direkte-Demokratie-Gesetz muss darüber hinaus eine Regel gefunden werden, die die zulässigen Kosten der Bewerbung wie bei Wahlkämpfen deckelt.
So zeigt der Ablauf dieser Volksabstimmung vom 12. Juni 2016 klar auf, worauf es bei gut geregelter direkter Demokratie ankommt: kein Beteiligungsquorum, Fairnessregeln für die Abstimmungskampagne, ein amtliches Abstimmungsheft, bindende Wirkung ohne Tricks, geringere Hürden zur Einleitung einer Volksabstimmung und die Möglichkeit über Großprojekte abzustimmen. An solchen Maßstäben ist denn auch das neue Landesgesetz zu messen, das im Herbst in den Landtag kommt.
Jenseits des Flugplatzausbaus – die Abstimmung ist aber keine „gmahnte Wies’n – gibt es eine Reihe von Themen, die auf mehr Mitbestimmung von unten warten. In 11 Jahren Verfügbarkeit der Volksinitiative (L.G. Nr.11 von 2005) gab es erst eine einzige landesweite Abstimmungsrunde über solche Volksinitiativen. Doch eine Reihe landespolitischer Fragen sind ähnlich gelagert wie der Bozner Flughafen: mit öffentlicher Subventionierung werden Projekte vorangetrieben, die weder nachhaltig noch umweltverträglich sind. Drei kurze Beispiele.
Soeben hat das Landesgericht die Malser Volksabstimmung zum Schutz vor Pestiziden vom September 2014 für unzulässig und nichtig erklärt, auch mit dem Verweis, dass die Zuständigkeit für die Regulierung von Pflanzenschutzmitteln beim Land, Staat und EU liegt. Gleichzeitig wird in Südtirol die Bio-Landwirtschaft viel zu wenig gefördert. Eine Volksinitiative für die Bio-Landwirtschaft kann wesentliche Punkte kann gerade auf Landesebene ansetzen und den „Malser Widerstand gegen Pestizide“ auf eine höhere Ebene heben.
In verschiedenen Talschaften stehen schon wieder neue Erschließungsprojekte für Aufstiegsanlagen und Skipisten an, sogar auf Gletschern, wie z.B. in Langtaufers. Abgesehen von der Landschaftsbeeinträchtigung und ökologischen Unhaltbarkeit, sind solche Projekte nur mit Subventionen des Landes zu stemmen. Der Steuerzahler zahlt solche privaten Projekte kräftig mit, zum Schaden der Allgemeinheit. Mit einer Volksinitiative kann diese Praxis geändert werden. Im nächsten Jahr steht eine Generalrevision der Raumordnung an. Verschiedene Interessenverbände, voran der übliche SBB, sind schon seit Langem mit ihren präzisen Vorstellungen zur Stelle. Doch geht es gerade darum, mit strengeren Regeln die weitere Zersiedlung und Verbauung des landwirtschaftlichen Grüns zu verhindern. Wie beim Flughafen kann eine Volksinitiative zu einer breiten Debatte beitragen, die dem Gesetzgeber einige Auflagen mit auf den Weg gibt. Volksabstimmungen haben einen weiteren Vorteil: die Politiker müssen Farbe bekennen. Am besten wäre es, wie 2007/08 mehrere Initiativen zu einem „Umweltpaket“ zusammenzulegen und durchzustarten.
SALTO, 28.5.2016


Direkte Demokratie

Eine beratende Volksabstimmung zum Direkte-Demokratie-Gesetz?

Die INITIATIVE will einen Befreiungsschlag: eine Volksbefragung zu beiden Gesetzentwürfen zur direkten Demokratie, mit welchen sich der Landtag derzeit befasst.

Die Volksbegehrensvorlage der INITIATIVE, die jetzt nach Ablehnung durch den Landtag wieder eingebracht werden soll; und dem neuen Gesetzentwurf der Landtagsmehrheit, der nach einem neuartigen partizipativen Prozess im März das Licht der Landtagsaula erblicken soll. Das Volksbegehren ist vorgestern vom Landtag formell abgelehnt worden, auch weil der Ablauf der Behandlungsfrist das erzwungen hat. Beim zweiten lässt sich noch nicht einschätzen, ob die Bürgerbeteiligung in drei weiteren Workshops noch zu entscheidenden Verbesserungen führt.
Der Königsweg wäre freilich jener einer echten Volksinitiative mit Gegenvorschlag des Landtags gewesen. Ein Vorschlag der INITIATIVE im Sinne der Bürger der weitestgehende und älteste Vorschlag, ersteht im Kern schon seit 2005. Dann der Vorschlag der Landtagsmehrheit, also ein Kompromiss zwischen SVP und PD. Und als dritte Option der Status Quo, ohne Zweifel die schlechteste Option. Denn das heuer 10 Jahre alte „Baumgartner-gesetz“ hat direkte Demokratie eher verhindert als befördert, nicht umsonst ist es in diesem Jahrzehnt 2005-2015 zu einer einzigen landesweiten Volksabstimmung gekommen, nämlich jene von 2009.
Der Landtag wäre gut beraten, den von der INITIATIVE geforderten „Befreiungsschlag“ aus der verfahrenen Situation zu tun. Denn die heuer 20j#hrige Geschichte des Tauziehens um mehr politische Mitspracherechte der Bürger in der Landespolitik kann nur positiv abgeschlossen werden, wenn eine Mehrheit der Stimmberechtigten einer Lösung zustimmt. Nachdem ein echter Volksentscheid darüber auch wegen schlecht gefasster Bestimmungen im Autonomiestatut nicht zulässig ist, bleibt zur Zeit eine vom Landtag einzuleitende Volksbefragung (laut L.G. vom 18.11.2005, Nr.11, Art. 16). Diese hat zwar den Nachteil, dass sie den Landtag rechtlich nicht bindet. Doch bei einem klaren Votum der Bürgerschaft wird sich der Landtag schwer tun, keine Entscheidung im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung zu treffen. Die Bürger würden ihre Präferenz zum Ausdruck bringen und der Landtag hätte die Pflicht, diese Präferenz in ein Gesetz zu gießen.
Geschieht dies nicht, riskiert man eine neue Runde im Spiel mit dem bestätigenden Referendum. Wenn der Landtag nämlich im März wieder ein von der INITIATIVE unakzeptables Gesetz verabschiedet, wird sich diese gezwungen sehen, wieder das bestätigende Referendum zu ergreifen mit Volksabstimmung dazu 2016. Eine potenzielle Endlosschleife. Doch hoffentlich besinnt sich die Landtagsmehrheit eines Besseren.
SALTO, 6.2.2015

Direkte Demokratie

Eine beratende Volksabstimmung zum Direkte-Demokratie-Gesetz?
Die INITIATIVE will einen Befreiungsschlag: eine Volksbefragung zu beiden Gesetzentwürfen zur direkten Demokratie, mit welchen sich der Landtag derzeit befasst.

Die Volksbegehrensvorlage der INITIATIVE, die jetzt nach Ablehnung durch den Landtag wieder eingebracht werden soll; und dem neuen Gesetzentwurf der Landtagsmehrheit, der nach einem neuartigen partizipativen Prozess im März das Licht der Landtagsaula erblicken soll. Das Volksbegehren ist vorgestern vom Landtag formell abgelehnt worden, auch weil der Ablauf der Behandlungsfrist das erzwungen hat. Beim zweiten lässt sich noch nicht einschätzen, ob die Bürgerbeteiligung in drei weiteren Workshops noch zu entscheidenden Verbesserungen führt.
Der Königsweg wäre freilich jener einer echten Volksinitiative mit Gegenvorschlag des Landtags gewesen. Ein Vorschlag der INITIATIVE im Sinne der Bürger der weitestgehende und älteste Vorschlag, ersteht im Kern schon seit 2005. Dann der Vorschlag der Landtagsmehrheit, also ein Kompromiss zwischen SVP und PD. Und als dritte Option der Status Quo, ohne Zweifel die schlechteste Option. Denn das heuer 10 Jahre alte „Baumgartner-gesetz“ hat direkte Demokratie eher verhindert als befördert, nicht umsonst ist es in diesem Jahrzehnt 2005-2015 zu einer einzigen landesweiten Volksabstimmung gekommen, nämlich jene von 2009.
Der Landtag wäre gut beraten, den von der INITIATIVE geforderten „Befreiungsschlag“ aus der verfahrenen Situation zu tun. Denn die heuer 20j#hrige Geschichte des Tauziehens um mehr politische Mitspracherechte der Bürger in der Landespolitik kann nur positiv abgeschlossen werden, wenn eine Mehrheit der Stimmberechtigten einer Lösung zustimmt. Nachdem ein echter Volksentscheid darüber auch wegen schlecht gefasster Bestimmungen im Autonomiestatut nicht zulässig ist, bleibt zurzeit eine vom Landtag einzuleitende Volksbefragung (laut L.G. vom 18.11.2005, Nr.11, Art. 16). Diese hat zwar den Nachteil, dass sie den Landtag rechtlich nicht bindet. Doch bei einem klaren Votum der Bürgerschaft wird sich der Landtag schwer tun, keine Entscheidung im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung zu treffen. Die Bürger würden ihre Präferenz zum Ausdruck bringen und der Landtag hätte die Pflicht, diese Präferenz in ein Gesetz zu gießen.
Geschieht dies nicht, riskiert man eine neue Runde im Spiel mit dem bestätigenden Referendum. Wenn der Landtag nämlich im März wieder ein von der INITIATIVE unakzeptables Gesetz verabschiedet, wird sich diese gezwungen sehen, wieder das bestätigende Referendum zu ergreifen mit Volksabstimmung dazu 2016. Eine potenzielle Endlosschleife. Doch hoffentlich besinnt sich die Landtagsmehrheit eines Besseren.
SALTO, 6.2.2015

Volksabstimmung in Meran 1899 und in Brixen 2014

Bürgerbeteiligung vor 115 Jahren einfacher und fairer

Schon im 19. Jahrhundert konnte man in Südtirol als Bürger – damals tatsächlich nur Männer – über wichtige Investitionsvorhaben der eigenen Stadt direkt abstimmen. So waren im fernen Jahr 1899 alle Meraner aufgerufen, über den Bau eines neuen Stadttheaters abzustimmen. Das zum Großteil von Meran selbst finanzierte Vorhaben wurde dann mehrheitlich gutgeheißen und gebaut. 115 Jahre später ist man in Brixen von einem solch transparenten und fairen Vorhaben weit entfernt.

Die Meraner konnten 1899 während der Amtsöffnungszeiten an einem Montag ihre Stimme zum Theaterbau abgeben, dessen Kosten genau beziffert und das entsprechende Darlehen gedeckelt war. Interessant, dass das Nichterscheinen eines Stimmbürgers als Zustimmung gewertet wurde, nicht als Ablehnung, wie es sich beim heutigen Beteiligungsquorum (z.B. in Brixen 40%) auswirkt.
Die Brixner Bürger und Bürgerinnen können dagegen beim Seilbahnprojekt nach St. Andrä zu Recht das Gefühl bekommen, von ihrer Stadtregierung zum Narren gehalten zu werden. Die Stadtratsmehrheit, die verbissen ihr Projekt einer Seilbahn über die Stadt hinweg verfolgt, hat nicht nur schon einmal eine von den Bürgern geforderte Volksabstimmung darüber verhindert, sondern will bei einer neuen Volksabstimmung folgende Frage vorlegen: „Was sollte die Gemeinde tun, um die Verbindung nach St. Andrä zu verbessern? 1. Eine Seilbahn mit Start vom Bahnhof bauen; 2. Die Busverbindung verbessern; 3. Nichts, alles soll bleiben wie es ist.
Diese Fragestellung ist gleich auf den ersten Blick manipulativ, weil eine weitere, also vierte Option (eine Seilbahn am Hang, etwa von Milland aus) gar nicht aufgeführt wird und ein Seilbahnprojekt als Alternative zur Verbesserung der Busverbindung gestellt wird, zwei Projekte, die sich gar nicht ausschließen. Zudem ist die Fragestellung widersprüchlich, denn wenn man grundsätzlich eine Verbesserung gegenüber dem Status Quo anstrebt, ist „Nichtstun“ keine logische dritte Option.
Doch steckt eine Strategie hinter dieser Fragestellung: die Befürworter des Standorts Bahnhof würden geschlossen für diese Variante stimmen, die Gegner würden die Stimmen zwischen zwei Möglichkeiten, die sich kaum widersprechen, verzetteln. Nicht umsonst kritisiert der Verein ProAltVor in seinem Faltblatt diesen Trick: „Wir sind gegen Fallen und erpresserische Fragestellungen.“ Das seit Monaten andauernde Tauziehen um die richtige Fragestellung zeigt auch, dass die direkte Bürgerentscheidung in Brixen schlecht geregelt ist. Eine pluralistisch besetzte Kommission müsste frei von politischen Winkelzügen eine klare Frage bezogen auf ein Projekt vorgeben. Wenn mehrere Projekte zur Abstimmung stehen (eines seitens der Stadtverwaltung, ein anderes seitens der Bürger), muss zusätzlich eine Stichfrage zur Entscheidung zwischen den beiden Projekten gestellt werden. Da hatten es die Meraner vor 115 Jahren leichter.
SALTO, 3.7.2014

Elezioni europee

Per un sistema elettorale europeo unitario

Vari partiti si sono lanciati nelle manovre preelettorali in vista delle elezioni Ue in maggio 2019 con il solito stratagemma: a chi agganciarsi per accaparrare un seggio in più? Come modificare la legge elettorale per avvantaggiare la propria forza? Quali umori cavalcare per cogliere i non-decisi e Ue-scettici? Non si pensa più ad una riforma del sistema elettorale e del sistema politico dell’Ue in quanto tale per rendere tutta la sua impalcatura più democratica. Tuttavia vale la pena riflettere come questo sistema potrebbe essere trasformato in un sistema parlamentare a pieno titolo, introducendo anche la democrazia diretta.
La sua architettura rappresentativa da sola richiede un intervento sostanziale, perché l’Ue in fondo merita un vero e proprio parlamento con due camere (Senato degli Stati e Camera dei deputati) con un’effettiva divisione dei poteri fra il ramo esecutivo e legislativo. Servono quindi correzioni democratiche che possano ridurre la logica del consenso intergovernativo finora dominante nell’Ue, che introducano una certa competizione secondo il principio della maggioranza e di programmi politici divergenti e che perfezionino la divisione dei poteri. A questo fine servono tre agganci:
1. un diritto elettorale comune e unitario per tutta l’Ue dei 27 paesi membri;
2. l’elezione del Presidente della Commissione europea e della Commissione da parte del Parlamento con rapporto di fiducia permanente;
3. l’effettiva divisione dei ruoli fra legislazione (Parlamento e Consiglio europeo) ed esecutivo (Commissione).
Ancora prima di intervenire sulla divisione dei poteri il Parlamento europeo (PE) questo andrebbe eletto con un sistema elettorale unitario. Un tale sistema elettorale nell’Ue non è solo una richiesta voluta da pochi, ma un impegno previsto dagli stessi Trattati di Lisbona (art. 223,1, TUE). Oggi tutti quanti i partiti alle elezioni europee si presentano come partiti nazionali, benché formalmente parte di qualche raggruppamento transnazionale. Introdurre un sistema unitario e comune significa porre fine a particolarismi nazionali e dare priorità alle forze politiche transnazionali e anche agli argomenti europei nella campagna elettorale. Oggi vari partiti aderiscono solo pro forma ad un partito europeo, che ha sì un programma comune, ma la campagna elettorale si articola principalmente su questioni nazionali o addirittura regionali. Gli elettori quindi non possono esprimersi per un chiaro indirizzo politico che l’Ue dovrebbe prendere e non la Lega, M5S, FI o la SVP.
In un sistema elettorale unitario le votazioni nei singoli territori nazionali avvengono secondo un sistema proporzionale unitario per tutto il territorio Ue con liste fisse. Come oggi l’elettore dovrebbe avere solo un unico voto, in 751 circoscrizioni non troppo diverse per non violare troppo il principio dell’uguaglianza del voto. Le liste verrebbero predisposte dai singoli partiti aderenti alle forze politiche europee oppure presenti solo in un unico paese, secondo le regole vigenti nei rispettivi paesi. Alla distribuzione dei mandati sarebbero ammessi solo i partiti che hanno raggiunto una ragionevole soglia minima di voti (es. il 2% dei voti a livello europeo, non nazionale). A queste condizioni solo i partiti grandi dei paesi più grandi potrebbero correre da soli se volessero. Si produrrebbe un forte incentivo per i partiti a costituire partiti transnazionali. I partiti nazionali sulle schede elettorali comparirebbero solo come un’espressione territoriale di un partito transnazionale europeo, rendendo molto più visibile il loro profilo europeo.
Con un tale sistema nel Parlamento europeo ci sarebbero meno partiti, ma di natura effettivamente transnazionale, e si ridurrebbe l’attuale frammentazione delle forze politiche. Dall’altra parte dopo nel PE si aprirebbe la possibilità di arrivare ad una vera coalizione politica di maggioranza invece del calderone presente oggi. Senza il minimo dubbio questo sarebbe un grande stimolo per milioni di cittadini per tornare alle urne, siccome la partecipazione da 10 anni si è assestata ad un misero 43%.
I partiti nazionali, uniti a livello europeo in un unico partito transnazionale, nel PE costituirebbero automaticamente i singoli gruppi parlamentari, lasciando fuori qualche forza politica nazionale o regionale non aggregata a partito europeo, ma comunque abbastanza forte per passare la soglia del 2%. In presenza di una tale soglia relativamente bassa si arriverebbe ad un PE con 7-8 gruppi politici, quindi un numero più o meno analogo a quello dei Parlamenti nazionali come si presentano oggi nella maggior parte dei paesi membri. Questi gruppi potrebbero più facilmente creare maggioranze a carattere politico, non grandi coalizioni a carattere nazionale come oggi. Crescerebbe inoltre l’identificazione dei singoli elettori con una precisa forza politica europea con i suoi rappresentanti di spicco e con un suo programma politico europeo. Un sistema elettorale comune e unitario di questo tipo porrebbe fine alla discrepanza palese che oggi esiste fra un Parlamento transnazionale e un sistema partitico nazionale che ogni giorno complica i lavori concreti del PE. Dei punti 2 e 3 menzionati sopra parlerò nei prossimi interventi. Per approfondire l’argomento vedi il Dossier POLITiS “Come democratizzare l’Ue”.

SALTO, 24.11.2018

Manifestazione nazionale il 17-6-17 a Roma

Contro lo “schiaffo alla democrazia”

Il Governo e poi il Parlamento hanno abrogato la legge sui voucher per far decadere il referendum raggiunto dalla CGIL. Il 27 maggio la commissione bilancio della Camera ha reintrodotto i voucher, all’indomani del referendum abrogativo previsto per il 28 maggio. Susanna Camusso lo dice fuori dai denti: “Il Governo e il Parlamento non hanno abrogato i voucher, ma i referendum, ovvero il diritto dei cittadini di esprimersi.” È uno sgambetto non solo per la CGIL, ma per tutti i cittadini. Si tratta di una grave violazione dell’art. 75 della Costituzione sul referendum. Va ricordato che già questa carta prevede solo pochissimi diritti referendari, e ora con un trucco legislativo si sta privando i cittadini anche di quello abrogativo. Bisogna impedire, afferma giustamente la CGIL, che questo diventi un precedente da imitare in futuro per silurare referendum non graditi, già dichiarati ammissibili e indetti.
La CGIL questo sabato chiama tutti a manifestare a Roma in difesa della democrazia, specie quella diretta (già fortemente arretrata nella sua disciplina attuale) e del diritto ad un lavoro non precario. La CGIL/AGB a livello provinciale appoggia la petizione per una legge migliore sulla democrazia diretta, purtroppo a livello nazionale non si è ancora attivamente impegnata per una riforma dei diritti referendari. Possa questo momento essere una spinta anche per il maggior sindacato di appoggiare i vari tentativi legislativi in questa direzione (prossimamente una proposta di legge di iniziativa popolare sui diritti referendari, da firmare a partire del luglio 2017).
Si protesta anche contro i nuovi voucher camuffati, una nuova forma di lavoro precario senza definire per quali finalità con evidenti effetti dumping rispetto altre forme contrattuale. Non si tratta di una forma di contratto di lavoro a breve termine o a tempo determinato, perché non si prevedono diritti legati a questi “nuovi voucher”. La CGIL stessa nella sua Carta dei Diritti aveva proposto delle alternative accettabili per prestazioni di lavoro occasionale. Il Governo non si è neanche degnato di discuterli seriamente. Si è voluto invece estendere un lavoro occasionale mai definito alle aziende (fino a 5 dipendenti vuol dire la stragrande maggioranza) e alla pubblica amministrazione. Un Governo capeggiato dal PD.
La CGIL respinge questo “Schiaffo alla Democrazia”, rilancia le ragioni del lavoro, e chiama tutti alla manifestazione nazionale di questo sabato, 17 giugno, in Piazza San Giovanni a Roma. www.schiaffoallademocrazia.it
www.cgil.it/17giugno/

SALTO, 15.6.2017

Kür des LH-Kandidaten der SVP

Direktwahl der gesamten Exekutive als Alternative zum internen SVP-Showdown

Die Basiswahl des LH-Kandidaten der SVP ist, wie vermutlich beabsichtigt, zur groß inszenierten Polit-Show, die die Landtagswahlen vorwegnimmt. Die immer noch starke Schieflage im Südtiroler Parteiensystem mit dem fraglos unterstellten SVP-Machtabonnement, die medial erzeugte Fixierung auf einige wenige Politiker und das Wahlsystem machen's möglich. Aus der veröffentlichten Meinung kann man den Eindruck gewinnen: die Hauptentscheidung für die politische Zukunft des Landes wird am 28.4. von 20-30.000 SVP-Mitgliedern getroffen, während die Bevölkerung im Oktober nur mehr über die Stärke der Opposition abzustimmen hat.

Der Verzicht von Richard Theiner hat dem ganzen Vorwahlkampf viel an Spannung genommen, doch zumindest einem enormen Risiko dieser Primärwahl geht die SVP mit dem absehbaren Erfolg von Kompatscher bei der Basiswahl aus dem Weg, nämlich: wäre Theiner bei den Basiswahlen unterlegen, hätte aber bei der Landtagswahl mehr Stimmen erhalten als Kompatscher, wäre unweigerlich die Frage aufgetreten: wer bestimmt eigentlich den Südtiroler Landeshauptmann oder Landeshauptfrau? Wie jetzt von der SVP vorgeführt, wird ein LH-Kandidat halbwegs von der Basis einer einzigen Partei für dieses Amt legitimiert, in der gerade rund 1/7 der Südtiroler eingeschrieben sind, nicht jedoch notwendigerweise durch die Präferenzen der Wähler insgesamt. Im Gegenteil: die Vorzugsstimmenverteilung bei den Wahlen würde geradezu übergangen. Natürlich kann jede Partei ihren LH-Kandidaten benennen und grundsätzlich ist das Rennen offen. Doch bei der heutigen Vormacht der SVP birgt dieses Verfahren ein Legitimationsproblem, das zum Nachdenken über das gesamte Wahlsystem führen muss.

In der Tat ist das Wahlsystem für die Landtagswahlen weit revisionsbedürftiger als es das Reförmchen der Landtagsmehrheit Anfang dieses Jahres es vermuten ließe. Für Südtirol überfällig ist die Stärkung der Rolle des Landesparlaments und die Trennung der Wahl von Exekutive und Legislative durch Direktwahl der Landesregierung mit eigenem Stimmzettel. Die Wahl der Politikerpersönlichkeit, die für 5 Jahre die Regierung führt, muss die gesamte Wählerschaft treffen, nicht bloß die SVP-Basis, gleichzeitig, aber getrennt von der Wahl der Abgeordneten zum Landesparlament. Wenn schon Direktwahl des LH, dann muss das Feld geöffnet werden für alle Kandidaten, auch parteiunabhängige Persönlichkeiten. Dabei müssen die Wähler die Zusammensetzung der gesamten Landesregierung bestimmen können, nicht nur einen "Landesfürsten", der sich seine Regierungsmitglieder selbst aussucht. Wird dadurch das Land nicht unregierbar, weil ein LH einer nicht wohl gesonnen Mehrheit im Landtag gegenüber stehen kann? Nein, in allen Kantonen der Schweiz wird so gewählt und von Unregierbarkeit ist nichts zu sehen.
Die Mitglieder der 26 Kantonsregierungen, die 5-7 Mitglieder zählen, werden in direkter Volkswahl alle 4 Jahre gewählt. Der Regierungspräsident wechselt alle Jahre oder alle 2 Jahre. Es ist ein Amt, ohne sonderlichen Vollmachten, Privilegien und Sonderfonds. Die unerträgliche Fokussierung auf die Person des künftigen LH, die bei uns in den letzten Wochen und Monaten betrieben wird, wäre damit vom Tisch. Alle Parteien schlagen Kandidaten für die Kantonsregierung vor, gewählt wird nach dem Mehrheitswahlrecht. Am Ende entsteht eine klare Reihung von Gewählten, die fast überall 3, 4 oder gar 5 verschiedenen Parteien angehören. So z.B. gehören die fünf Regierungsmitglieder Graubündens vier verschiedenen Parteien an. Die Direktwahl der gesamten Südtiroler Landesregierung - mit Mandatsdauerbeschränkung und Rotation des Vorsitzes - wäre somit eine echte Alternative zur demokratisch fragwürdigen Kür eines Landesfürsten durch die Basis einer einzigen Partei 6 Monate vor der eigentlichen Landtagswahl.

SALTO, 12.4.2013


Volksabstimmung am 12. Juni

Ohne Quorum geht’s besser

Die Volksbefragung zum Flughafen Bozen am 12. Juni zeigt es klar: wenn kein Beteiligungsquorum gilt, kann sich direkte Demokratie entfalten. Zum Boykott aufzurufen, wie es zuletzt Renzi beim italienischen Referendum vom 17. April getan hat, bringt nichts. Im Gegenteil: Gegner und Befürworter müssen alles mobilisieren, es gibt eine echte Auseinandersetzung, alle Medien befassen sich mit dem Thema, es gibt eine breite, offene Debatte, für manche schon eher zu viel des Guten. Doch das jetzt veröffentlichte Abstimmungsheft erfüllt die Erwartungen nicht.
Doch streng genommen gilt auch bei dieser Volksabstimmung, die laut Gesetz nur eine vom Landtag angesetzte Befragung (L.G. Nr.11/2005, Art. 16 Fakultative beratende Volksbefragung) das Quorum von 40%. LH Kompatscher hatte nur die Gnade, vorab anzukündigen, dass er das Ergebnis unabhängig vom Quorum anerkennen will. Im Übrigen hatte die SVP schon ihrem Landesgesetz vom Juni 2013 aufs Beteiligungsquorum ganz verzichtet. Warum also nicht definitiv diese demokratiefeindliche Regel ad acta legen? Warum spricht sich Kompatscher nicht generell für Volksabstimmungen ohne Quorum aus, nachdem diese Kampagne exemplarisch zeigt, wie kontraproduktiv ein Quorum ist?
Gelegenheit dafür hätten der Landeshauptmann und die ganze SVP noch vor der Sommerpause des Landtags bei der Verabschiedung des neuen Gesetzes zur direkten Demokratie. Dort steckt nämlich ein Quorum wieder drin, muss aber nicht sein. Nicht vorgesehen ist hingegen das bestätigende Referendum auf weitreichende Beschlüsse der Landesregierung von Landesinteresse. Wiederum kann der Flughafen als Beispiel dienen, denn typischerweise werden solche Großprojekte von der Landesregierung entschieden. Demnächst steht ein neues Projekt mit dem Neubau der Jenesiener Seilbahn an. 2009 mussten die Bürger zum Umweg der Volksinitiative greifen, um eine Volksabstimmung über die Subventionierung des Flughafens zu erwirken. 2016 ist es nur dem guten Willen der Landtagsmehrheit zu verdanken, dass diese Volksbefragung am 12. Juni abgehalten wird. Um direkte Demokratie in Gang zu setzen und zu halten, braucht es aber nur geregelte Rechte, die die Bürgerinnen selbst in Anspruch nehmen können. Vor allem das bestätigende Referendum, sowohl auf Landesgesetze wie auch Landesregierungsbeschlüsse. Sonst können bei unsinnigen Großprojekten die Bürger von sich aus kein Veto einlegen. Darauf kommt es aber an.
Auch das amtliche Informationsheft für alle Abstimmungsberechtigten ist von der Landesregierung versprochen worden, im Schweizer Stil, also kurzgefasste Darstellung der anstehenden Sachfrage, Pro und Contra laut Positionen der Befürworter und Gegner, sowie Erläuterungen zum Verfahren der Volksabstimmung. Jetzt ist das Heft online, doch ohne den sachbezogenen Teil, also ohne die Argumente für und gegen den Flughafen. Nur das zur Debatte stehende Landesgesetz wird in eher positivem Licht dargestellt. Das ist kein faires Abstimmungsheft, und genau deshalb gehört auch dieser nicht unwichtige Aspekt im Landesgesetz zur direkten Demokratie genau geregelt, auch für Volksbefragungen. Wenn schon ein Abstimmungsheft, dann ein echtes.
SALTO, 13.5.2016